"Wir weinten beide", meinte der Vater des sogenannten "australischen Talib" am Dienstag in Guantánamo Bay. Es war der erste Kontakt in zwei Jahren, den Terry Hicks mit seinem einzigen Sohn David hatte. Kurze Zeit später bekannte sich der 31-jährige Australier als erster Angeklagter vor einem US-Militärtribunal schuldig, den "Terrorismus unterstützt" zu haben.

Hicks, ein zum Islam konvertierter Hilfsarbeiter und Weltenbummler aus der südaustralischen Stadt Adelaide, war vor über fünf Jahren in Afghanistan verhaftet worden. Seither saß er in Guantánamo in Einzelhaft. Sein Anwalt beschuldigte die US-Behörden mehrfach, Hicks mit unmenschlichen Methoden unter Druck gesetzt zu haben. Laut seinem Vater hat David Hicks' psychische Verfassung in den Jahren der Isolation massiv gelitten. Er sei "äußerst besorgt" über den geistigen Zustand seines Sohnes. Für Terry Hicks ist klar: Sein Sohn habe sich nur schuldig erklärt, um "der Hölle zu entkommen". In den nächsten Tagen wird das Tribunal den Mann verurteilen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Hicks schon Stunden später in einem Flugzeug mit Ziel Australien sitzen. Die Regierung von Premier John Howard hat mit Washington ein Abkommen. Danach kann Hicks den Rest seiner Haftstrafe in Australien verbüßen.

US-Ankläger verteidigt Prozess

Der Chef-Ankläger der US-amerikanischen Guantanamo-Tribunale hat Kritik am US-Vorgehen gegen David Hicks zurückgewiesen. Es seien nicht unbedingt die großen strategischen Denker, die für den Tod tausender Menschen in der ganzen Welt verantwortlich seien, entgegnete Moe (Morris) Davis auf den Einwand von Kritikern, Hicks sei lediglich ein Mitläufer der Terror-Gruppe Al-Kaida. "Es sind diejenigen auf taktischer Ebene, die willens sind, sich Bomben umzuschnallen und an vorderster Front zu den Waffen zu greifen", betonte Davis am Donnerstag vor Reportern im Gefangenenlager Guantanamo weiter.

Bemerkenswerter Wandel

Dass der vermeintliche Terrorist nach fünf langen Jahren endlich seinen Tag im Gericht hatte, ist in erster Linie das Ergebnis eines bemerkenswerten Wandels der öffentlichen Meinung in Australien im Vorfeld der Parlamentswahlen Ende des Jahres. "Es ist sicher nicht, weil Howard plötzlich einen Sinn für Gerechtigkeit entwickelt hat, sondern wegen der Politik", sagt Brett Solomon, Chef von GetUp. Es war vor allem dem Druck der 175.000 Mitglieder dieser politisch unabhängigen Bürgerrechtsbewegung zu verdanken, dass Canberra in Washington endlich mit der Forderung Erfolg hatte, Hicks dem Gericht vorzuführen.

Nicht, dass Howard es vorher eilig gehabt hätte. Noch vor Wochen wurde Hicks von der australischen Regierung als Terrorist bezeichnet. Und dies, obwohl es keine Beweise gab, dass der junge Mann je in aggressive Aktivitäten verwickelt gewesen war. Vielmehr schien es sich um einen naiven, intellektuell eher anspruchslosen Idealisten zu handeln, der bei den Taliban nach neuen religiösen Ufern suchte. Die Terrorattacken des 11. September 2001 sollen ihn angewidert haben. Canberra widersprach aber nicht, als konservative Medienkommentatoren forderten, "die Amerikaner sollten ihn endlich an die Wand stellen".

Die Gefahr der Todesstrafe ist inzwischen gebannt. Die Anklageschrift ist im Verlauf der Jahre wegen fehlender Beweise so zusammengeschrumpft, dass Hicks nur noch die materielle Unterstützung der Taliban vorgeworfen wird. Seine Strafe werde nur unwesentlich höher werden als die bereits abgesessenen fünf Jahre, sagen Experten.

"Es geht um das rechtsstaatliche Prinzip"

Mit Plakaten und anderen Protestaktionen gelang es GetUp in den letzten Monaten, die Bevölkerung zu überzeugen, dass auch ein vermeintlicher Terrorist fair zu behandeln sei. "Es geht nicht um ihn, es geht um das rechtsstaatliche Prinzip", so die Organisation in ihren Aufrufen. Viele Australier begannen die Beziehung Howards zu George W. Bush zu hinterfragen. Obwohl sich der Premier als engen Freund des US-Präsidenten bezeichnet - und Australien die Vereinigten Staaten in Irak unterstützt - schienen seine Bitten, Hicks vor Gericht zu stellen, auf taube Ohren zu stoßen.

Die Wende kam im Februar nach einem Besuch von US-Vizepräsident Dick Cheney. "Howard muss ihm klar gemacht haben, dass er wegen Hicks die Wahlen verlieren könnte", meinte ein Kommentator. Tatsächlich deuteten Umfragen darauf hin, dass das vermutete Versagen der Regierung, Hicks ein faires Verfahren zu ermöglichen, die Wahl mit entscheiden könnte. Wenig später kam die Meldung, Hicks werde der erste Angeklagte vor dem Tribunal sein. (Urs Wälterlin aus Canberra/Red/DER STANDARD, Printausgabe, 30.3.2007)