Vor zehn Tagen hat Voestalpine-Chef Wolfgang Eder bei einer Standard-Festveranstaltung die Regierung lautstark aufgefordert, den heimischen Unternehmen wirksamere Mittel zur Verteidigung vor feindlichen Übernahmen zur Verfügung zu stellen.

Am Donnerstag hat Eder die Sache selbst in die Hand genommen: Seine geplante Übernahme von Böhler-Uddeholm ist nicht nur ein Schritt, um die österreichische Edelstahlperle vor ausländischen Heuschrecken zu schützen, vor allem wird damit die Voestalpine für eine unfreundliche Übernahme durch einen der internationalen Stahlriesen wie Mittal oder Tata nun teurer – und dadurch weniger attraktiv.

Dass mit der Voest/Böhler-Fusion eine der wichtigsten industriepolitischen Schritte der vergangenen Jahrzehnte – die Zerschlagung der Verstaatlichten in den Achtzigerjahren – teilweise rückgängig gemacht wird, hat nicht viel zu bedeuten. Voest und Böhler von heute haben mit den damaligen Elefanten kaum etwas gemeinsam. Eder und Böhler-Chef Claus Raidl sind tüchtige Manager, die sich weder von der Politik noch von den eigenen Betriebsräten allzu viel sagen lassen und ihre Unternehmen nach rein wirtschaftlichen Kriterien führen. Das ist der Grund für ihre Erfolgsbilanz: Hohe Exportquoten, steigende Aktienkurse und weniger, aber dafür höhere qualifizierte Arbeitsplätze.

Aber in einem Punkt gehen Eder und Raidl zum reinen Kapitalismus auf Distanz: Sie wollen nicht, dass die Aktienmärkte über das Schicksal ihrer Unternehmen bestimmen können. Beide hätten es gerne gesehen, wenn die Republik ihre Beteiligungen behalten hätte. Beide haben dann die Formierung inländischer Kernaktionärsgruppen bei Voest und Böhler begrüßt und sogar gefördert. Und da es sich jetzt zeigt, dass private Anleger keine Garantie gegen ausländische Übernahmen bieten, versuchen sie nun gemeinsam, die „Barbarians at the Gate“ (so der Titel eines Buches über die einst größte Übernahmeschlacht in den USA)fernzuhalten. Im eigenen Land erhalten sie dafür viel Applaus. Selbst in der ÖVP wird wohl mit Erleichterung aufgenommen, dass Böhler kein Spielball der Finanzmärkte wird. Auch wenn die xenophob angehauchte Stahlhochzeit wieder bissige Kommentare in der Auslandspresse hervorruft – die gleichen Reflexe regieren fast überall Europa. Von Spanien bis Deutschland werden Übernahmen als eine Art Fußballspiel betrachtet: Jubel für Auslandssiege, aber wehe, wenn ein Fremder versucht die eigene Abwehr zu überwinden. Da kann die EU-Kommission als Schiedsrichter noch so oft Foul geben, die Freiheit des Kapitalverkehrs bleibt in Europa ein frommer Wunsch.

Nun mag Böhler ganz gut ins strategische Konzept der Voest passen und Raidl lieber als einfaches Vorstandsmitglied nach Linz zurückkehren, denn für britische Investoren den Shareholder Value steigern zu müssen.

Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack zurück. Die Stahlindustrie ist global integriert. Dass gerade der Zusammenschluss von Linz und Kapfenberg die besten Synergien ergibt, ist unwahrscheinlich. Wenn die heimische Stahlehe nicht funktioniert, dann gehen dem Standort Österreich mehr Jobs verloren, als ein noch so böser Equityfonds je zerstören könnte. Die Böhler-Eigentümer steigen ja nicht schlecht aus, aber für die Voest-Aktionäre – wenn sie nicht gerade Ludwig Scharinger heißen und als Chef einer Raiffeisen Landesbank keinen Eigentümer haben – hätte es sicher bessere Deals gegeben. Die internationale Stahlkonsolidierung wird voranschreiten. Wenn die Voest für eine Übernahme nicht infrage kommt, dann wird der Aktienkurs darunter leiden.

Langfristig fahren Länder, die dem ausländischen Kapital keine nationalistischen Barrieren entgegenstellen, besser – siehe Irland oder Großbritannien. Schutz vor Übernahmen dient vor allem den Interessen des Managements. Schön für Eder und Raidl, dass das ganze Land so sehr an ihr Wohl denkt. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.3.2007)