Graz - Mutter mit 66? "Warum nicht", sagt der Wiener Psychotherapeut Alfred Pritz. Ob es auf Kinder Auswirkungen hat, dass die Mutter im Pensionsalter ist, könne man nicht sagen, denn Untersuchungen dazu gibt es nicht. "Die bisherigen Fälle haben Prominentenstatus", sagte der Rektor der Sigmund-Freud-Universität zum Standard.
Diesen Prominentenstatus hat jene Grazerin, von der am Dienstag bekannt wurde, dass sie vor zwei Wochen im LKH Graz ein Kind zur Welt gebracht hat, eindeutig erreicht. Über das Geschlecht des Kindes ist zwar genauso wenig bekannt wie über die regionale Herkunft der Mutter - aus Datenschutzgründen hüllte sich die Sprecherin des Krankenhauses in Schweigen. Was jedoch bekannt wurde, ist, dass es sich bei der 66-Jährigen um jene Frau handelt, die bereits 2002, damals 61-jährig, ebenfalls am LKH Graz per Kaiserschnitt entbunden hat. Beide Male hatte sich die Frau im Ausland künstlich befruchten lassen, heißt es. Das Einsetzen von fremden Eizellen ist in Österreich verboten, in den Benelux-Staaten, in Tschechien und Spanien ist es legal.
Dass Frauen im hohen Alter Mütter werden, das sei neu, sagte der Psychiater Pritz. Er wunderte sich aber, warum um alte Väter kein Aufhebens gemacht wird. Von diesen gibt es zumindest schon Erfahrungswerte in der Kindeserziehung und diese seien unterschiedlich: Einige Väter seien dem Kind besonders zugewandt, andere überfordert. Was das Kindeswohl im aktuellen Fall betreffe, so werde das Alter der Mutter keinen Einfluss haben, mutmaßte Pritz. Ob die Mutter in bestimmten Lebenslagen des Kindes, der Pubertät etwa, überfordert sein könnte, das hänge von der individuellen Beziehung ab. Und schließlich gebe es auch viele Großmütter, welche die Erziehung der Kinder übernähmen und "darüber sind nur alle froh! Da sagt keiner: 'Du bist zu alt'", gab Pritz zu bedenken.
(Groß-)Mütter
Johannes Huber, Vorsitzender der Bioethikkommission, sieht auf ältere Mutter allerdings ein Problem zukommen: Er befürchtet, dass die "Vigilanz der Mutter nicht gegeben ist, um das Kind in den prägenden Jahren begleiten zu können". "Man weiß nicht, wie es ausgeht", räumte er ein. Was Huber als gesellschaftliches Problem ansieht, ist vielmehr die Industrie, die aus dem Handel mit Eizellen bereits entstanden sei. Diesen könne man eigentlich mit Organhandel gleichsetzen, der in Europa verboten sei. Für Eizellen müssten Frauen im Ausland zwischen 4000 und 10.000 Euro bezahlen und auch das sei "sozial unverträglich" (mehr dazu hier).
Pritz' Großmutter-Argument lässt der Kinderpsychiater Max Friedrich nicht gelten: "Jede Großmutter hat vorher ein eigenes Kind großgezogen und steht zu einem Kind in anderer Beziehung wie eine Altgebärende", sagte er zur Austria Presse Agentur. Er halte die Handlung der Mutter für "unethisch". Der Grazer Erziehungswissenschafter Werner Lenz steht dafür ein, dass ältere Eltern ebenso wenig wie junge von der Gesellschaft allein gelassen werden sollten und "nicht unsere Ächtung, sondern Achtung verdienen" (siehe hier). Als positiven Aspekt nennt er den "reichen Schatz an Lebenserfahrung", den ältere Mütter in die Erziehung einbringen, der sie sich auch stressfrei widmen könnten, da die berufliche Karriere meist schon fortgeschritten sei.
Das Mutterglück der 66-Jährigen wird die entflammte Diskussion wohl kaum stören, außerdem befindet sie sich in bester Gesellschaft.