Der Sex der Fruchtfliegen wird durch einen einzigen Duftrezeptor geregelt. Beweisen wurde das durch Einpflanzung eines Rezeptors von Motten.

Foto: DER STANDARD/IMP/Berger
Forscher am Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) haben ein weiteres Rätsel beim Paarungsverhalten der Fruchtfliegen gelöst: Ein Pheromon der Männchen und ein Rezeptor regeln den Fliegensex.

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London/Wien - Verhaltensbiologen wollen uns schon geraumer Zeit weismachen, dass wir Menschen in unserem Paarungsverhalten vor allem durch Düfte geprägt sind. Was bei uns Menschen immer noch Gegenstand von Untersuchungen ist, konnten Forscher in Wien an Fruchtfliegen nun eindeutig beweisen: dass die Liebe durch die Nase. Oder korrekter formuliert: durch ein Pheromon (also einen Duftlockstoff) und einen Rezeptor.

Bereits vor knapp zwei Jahren ließ das Institut für Molekulare Pathologie (IMP), die wohl erfolgreichste Forschungseinrichtung Österreichs, mit einer spektakulären Entdeckung über den Sex der Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) aufhorchen: Damals konnte man zeigen, dass ein einziges Gen namens friutless (fru) für das komplexe Sexualverhalten verantwortlich ist. Die männliche Form des fru-Gens führt auch bei Weibchen, denen man es eingepflanzt hat, zu männlichem Balzverhalten.

In der neuen Studie, die in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachblatts Nature erscheint, konnte man nun weitere Geheimnisse des Fliegensex knacken: nämlich durch welche Pheromone und durch welche Duftrezeptoren das Paarungsverhalten ausgelöst wird.

Dass der Geruch eine wichtige Rolle spielen würde, war schon aufgrund der fru-Studie klar. Denn man hatte entdeckt, dass dieses Gen auch in Riechzellen aktiv ist. Eine der neuen Erkenntnisse ist nun, dass ein einziges Fliegenpheromon (namens cVH) und ein einziger Rezeptor (namens OR67d) das Balzverhalten regeln.

Die andere wichtige Neuigkeit ist, dass cVH ein Duft der Männchen ist, wie Barry Dickson, der Direktor des IMP und einer der drei Autoren der neuen Nature-Publikation, im Gespräch mit dem Standard erklärt. "Denn ursprünglich dachten wir, dass es ein Duft der Weibchen sein würde, der die Männchen anturnt. Tatsächlich ist es genau umgekehrt."

Raffinierte Versuchsanordnungen

Das vielleicht größte Verdienst der drei IMP-Forscher - neben dem Australier Dickson die Bosnierin Amina Kurtovic und der Schweizer Alexandre Widmer - liegt aber in den raffinierten Versuchsanordnungen, mit denen sie zu ihren Erkenntnissen kamen. Zum einen schufen sie männliche und weibliche Fliegen ohne den Rezeptor OR67d, die in Sachen Sex prompt jeweils "falsch" reagierten. Und in einem Kontrollexperiment ersetzten sie OR67d durch einen Rezeptor von Motten, was bei "Mottenduft" zu eindeutigen Reaktionen führte.

Als Nächstes wollen Dickson & Co. nun herausfinden, wie derselbe Geruch zu unterschiedlichen Reaktionen bei Männchen und Weibchen führen kann. "Dieser Unterschied ist vermutlich im Gehirn zu suchen", meint der IMP-Chef, der abschließend noch eine schlechte Nachricht für die Parfum-Industrie hat: Bei uns Menschen seien entsprechende Pheromone und Rezeptoren nämlich nicht nachgewiesen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 29. März 2007)