Soulsavers: "It's Not How Far You Fall, It's The Way You Land"
Zugegeben: Wenn Mark Lanegan Kochrezepte vorlesen würde, ich würd’ ihm auch lauschen. Der US-Ausnahmesänger wurde von Rich Machin für sein Projekt Soulsavers als Stimme verpflichtet. Entstanden ist eine weihwasserfreie Gospelplatte "with a rockin’ edge", wie Machin im Standard-Interview die Mischung aus zähen Grooves mit Gitarrenlärm und Lanegans erhebendem Gesang beschrieben hat. Weiter Auftritte haben Bonnie "Prince" Billy sowie P.W. Long, einst bei der genialischen Band Mule ganz vorne. Bester Song: "Ghosts Of You & Me". Bester Songtitel: "Jesus of Nothing". (V2/Edel)

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Soulslavers

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Blumfeld: "Ein Lied mehr"
Blumfeld sind Geschichte. Nachdem die Band vor etwa zwei Monaten ihr Ende bekannt gegeben hat, folgt nun im Frühjahr eine finale Tour und – quasi als Begleiter dazu – die 5-CD-Box "Ein Lied mehr". Enthalten sind hier die ersten drei grandiosen Studioalben der Hamburger, eine CD mit "Various Recordings" – inklusive dem neuen Titel "Deutschland der Deutschen" sowie eine Live-CD, die einen Mitschnitt von 2006 aus dem Wiener Radiokulturhaus bietet. Kein Testament der Angst, sondern ein Nachlass der Liebe – inklusive dem "Apfelmann", Baby! (Hoanzl)

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Blumfeld

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Mavis Staple: "We’ll Never Turn Back"
Mavis Staple, einst im Familienunternehmen der Staple Singers die führende weibliche Stimme, meldet sich hier wieder einmal eindrucksvoll zurück. Als eine der letzten heute noch relevanten Überlebenden des Stax-Musiker-Pools, ließ sie dieses Album von Ry Cooder produzieren, der damit, im Vergleich zu seinem gerade erschienenen Soloalbum "My Name Is Buddy", die weit bessere Arbeit abliefert: Lässig hingeschlenzte Soulsongs im Midtempo samt Cooders charakteristisch-legerem Gitarrenspiel öffnen hier Ohr, Herz und Seele. Wer "Don’t Give Up On Me" von Solomon Burke zu schätzen wusste – go for it! (Anti/Edel)

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Mavis Staple

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Dinosaur Jr.: "Beyond"
Die hässliche, mittlerweile ergraute und um die Hüften verbigmacte Squaw an der Gitarre ist J Mascis und auf "Beyond", dem ersten in Originalbesetzung eingespielten Dinosaur Jr.-Album seit "Bug", herrscht Stillstand. Was anderswo dramatisch wäre, ist hier erwünscht. Bedeutet Stillstand hier doch ein immerwährendes Wüten einer weinerlichen und dabei doch stark ziehenden Gitarre, ein mit Holzfäller-Ethos behandelter Bass (Lou Barlow) und ein fies-getrieben gespieltes Schlagzeug (Murph), das mit diesem Album ein Zeitloch auftut, das gänzlich unpeinlich ausfällt und klingt, wie ein besserer Nachfolger zum herausragenden "Where You Been" aus 1994. Wer die Band im Vorjahr live erlebt hat, weiß, wo der Hammer hängt. (Pias/Edel)

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Dinosaur Jr.

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LCD Soundsystem: "Sound Of Silver"
New Order, The Fall, ESG, David Bowie, Talking Heads, Wire, Can, Kraftwerk und mehr in einem Mix klingt – bei aller daraus ablesbaren Geschmackssicherheit – ja nicht unbedingt sehr eigeninspiriert. Doch was James Murphy, der Mann hinter LCD SS, aus diesen und anderen Zutaten destilliert, ergibt in Summe das bislang waghalsigste und überzeugendste Album des heurigen Jahres. Mit großer Verve transportiert er diese Zutaten auf den Dancfloor, wo auch dem Nichtmusikwissenschaftler die Pferde durchgehen. Dabei ist die Produktion staubtrocken und hat kein Gramm überflüssiges Fett zu viel. Mighty! (EMI)

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LCD Soundsystem

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Richmond Fontaine: "Thirteen Cities"
Der Vierer Richmond Fontaine wird seit einigen Jahren als das nächste große Ding aus dem Bereich der amerikanischen Traditionalisten (Bright Eyes, Calexico...) gehandelt. Nachdem angekündigte Triumphe selten stattfinden, ist daraus bislang nichts geworden – was definitiv nicht in fehlender Qualität begründet liegt. "Thirteen Cities", in Tucson mit den dort üblichen Verdächtigen (Howie Gelb, Joey Burns...) als Gästen eingespielt, überzeugt jedenfalls ein mal mehr mit wunderchönen Country-Rock-Stücken, die zwischen Wüstenstaub und Literaturnobelpreis angesiedelt sind. Dass sie stellenweise nicht zu gering an Calexico erinnern, könnte man als Anbiederung deuten, aber dann wäre man ein schlechter Mensch. (Hoanzl)

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Richmond Fontaine

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Someone Still Loves You Boris Yeltsin: "Broom"
Wem der Soundtrack zum Frühling noch fehlt, sollte es eventuell mit der exzentrisch benannten Band aus Springfield, Missouri versuchen. Auf "Broom" regiert ein atmosphärisch zurückgelehnter Gitarren-Pop, der nie knieweich daher kommt, sondern beständig nach vorne drängt, aber eben behutsam. Diese Eigenart hat der Band bereits den zutreffenden Vergleich mit den Shins eingebracht. Gleichzeitig bedeutet das nicht fehlende Originalität, sondern eben bloß eine ähnlich sympathische Offenherzigkeit – im Mai live im Wiener Chelsea zu erleben! (Polyvinyl)

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Someone Still Loves You Boris Yeltsin

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Bracken: "We Know About The Need"
Bracken ist im wesentlichen Chris Adams, der sich hier auf seinem ersten Longplayer als nerdiger Elektroniker ebenso ausweist wie als Anhänger analoger Töne und – huch! – echter Drums. In Summe ergibt das ein dem Cover entsprechendes Gemisch aus quengelnden, oft bewusst hoppertatschigen Beats und Störgeräuschen aus den Schaltkreisen, zu denen Adams seine Stimme montiert. Was für Anticon neu ist, wäre für Warp ein alter Hut. Die songorientierten Stücke erheben sich jedenfalls über die reinen Soundspielereien, die hier eher als Füllmaterial herhalten. Als Late-Night-Special 1a! (Trost)

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anticon

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Luther Ingram: "(If Loving You Is Wrong) I Don’t Wanna Be Right"
Nach langer schwerer Krankheit ist Mitte März Luther Ingram gestorben. Der Soulsänger aus dem Stax-Umfeld hätte eigentlich ein Superstar werden können, wenn ihm nicht Al Green den Rang abgelaufen wäre. Ingram war ein begnadeter, einfühlsamer Stilist, der in triefenden Deep-Soul-Balladen ebenso die Herzkammern und Tränenschleusen seines Publikums flutete wie er in Uptempo-Nummern unweigerlich deren Wackelpopo anwarf. Man höre nur "It’s To Much", das auf fettem Memphis-Sound anzieht wie eine 100-Tonnen-Lock! Und die Magie von "I’ll Be Your Shelter (In Time Of Storm)" erkannten auch die braven Housemartins. Eine Träne auf ihrer letzten Reise.

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The Go-Betweens: "Liberty Belle And The Black Diamond Express"
Dieser Klassiker der Moderne wird saisonal immer wieder scharf: Grund: Der Song "Spring Rain", der mit Zeilen wie "driving my first car, my elbow in the breeze" Gefühle verdeutlicht, wie sie einen einst selber heimsuchten. Dieses Wunder eines Albums geizt aber auch sonst nicht mit Höhepunkten: "Head Full Of Steam" – ach!, "Wrong Road" – Seufz! oder "To Reach Me" berühren 20 Jahre später noch immer im selben Ausmaß wie damals. Immer noch nicht vorstellbar, dass dieses Wunder, das sich noch mehrmals wiederholt hat, nach dem unzeitgemäß frühen Tod von Grant McLennan vergangenen Mai keine Fortsetzung mehr erfahren wird. (Beggars/Edel)

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The Go-Betweens

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