Bibelfeste Moraltheologin mit feministischen Anliegen: Angelika Walser.
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"Theologische Ethik ist immer dort, wo sich Menschen fragen, wie sie verantwortungsvoll handeln sollen", sagt Angelika Walser. "Das reicht von der medizinisch assistierten Fortpflanzung bei sehnlichem Kinderwunsch bis zur ,Erlösung' leidender Menschen durch eine Spritze." Ethik reflektiert kritisch, was es an moralischen Gewohnheiten in einer Gesellschaft gibt, und sucht nach objektiven Prinzipien für Regeln und Verhaltensweisen. Es gehe also darum, systematisch-vernünftig etwa über Freiheit, Verantwortung, Schuld und Normen nachzudenken und nicht nur aus dem Bauch heraus zu argumentieren.

Mit einem APART-Stipendium der Akademie der Wissenschaften habilitiert sich die Theologin nun über das Thema "Autonomie von Frauen in bioethischen Konfliktfeldern". Moderne biomedizinische Errungenschaften haben für sie nämlich unterschiedliche Konsequenzen für die Geschlechter: Sie können auch ein Frauenbild mittransportieren, das überkommene Rollen wieder fixiert. "Wir brauchen heute beides: Genderforschung und dezidiert feministische Positionen, die alle Teile der Wirklichkeit kritisch auf eine Benachteiligung von Frauen abklopfen", betont die Theologin.

Angelika Walser, Jahrgang 1968, hat immer viel gelesen. Auch die Bibel. Als Teenager fielen ihr darin widersprüchliche Stellen auf, weshalb sie schließlich auch Theologie und Germanistik an den Unis Würzburg und München studierte. 1995 kam die Stuttgarterin mitsamt ihrer angefangenen Dissertation nach Österreich, "weil ich einen reizenden Niederösterreicher kennengelernt hatte, mit dem ich nun verheiratet bin". Der Einstieg in den hiesigen Schuldienst war rechtlich alles andere als einfach, eine wissenschaftliche Karriere traute sie sich noch nicht zu. Also arbeitete sie als Journalistin in Print und Radio und als Erwachsenenbildnerin für die Erzdiözese Wien. Ihre Doktorarbeit über "Schuld und Schuldbewältigung in der deutschen Wendeliteratur" wurde dann als Buch publiziert.

Sattelfestigkeit von Nöten

"Ich bin gläubig und verstehe das stets als intellektuelle Herausforderung", meint Walser. MoraltheologInnen müssen vor allem sattelfest in Philosophie und Theologie sein. Sie dürfen das Leben aber nicht nur aus Büchern kennen, so Walser. Zudem brauche man eine handfeste Spiritualität, "die vor der zwanghaften Vorstellung bewahrt, die Welt im Alleingang retten zu müssen". Und schließlich Humor, um die hohe Theorie mit der Praxis zu verbinden: "Frauen brauchen die doppelte Portion davon in dieser von Priestern dominierten Disziplin." Den Ausgleich zum Nachdenken schafft sich die Ethikexpertin mit Singen und Querflötespielen. Auch Lesen, Joggen und orientalischer Tanz klären den Kopf.

"In unserer Arbeitswelt sind Eltern mit Kindern immer noch Fremdkörper", so Walser, die nach der Geburt ihrer Tochter einen geeigneten Vertrag mit der Europäischen Kommission abschloss: "Richtig ausgestiegen aus dem Beruf bin ich nie, ich habe nur kürzer getreten. Ich konnte viel von zu Hause aus erledigen, ein Luxus."

Für "Geneskin" - ein europäisches Netzwerk von 28 Institutionen, die an genetisch bedingten Hauterkrankungen forschen - hat sie einen Pool an Fachleuten aufgebaut, sodass WissenschafterInnen und Patientenorganisationen künftig ihre Fragen zu genetischer Beratung oder Diagnostik auch mit Ethik-ExpertInnen diskutieren können. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe 28.03.2007)