Für mehr Sichtbarkeit alter Frauen in der Gesellschaft: Soziologin & Autorin Elisabeth Hellmich.
Foto: Standard/Robert Newald
Elisabeth Hellmich war nicht wenig überrascht, als sie an den Tisch des Studienberaters für Soziologie trat: "Mochst a Soziologie? Klass! Sitz di hin!" Der junge Mann trug sein Haar lang und hatte eine Latzhose an, erzählt sie lachend.

Genau einen Monat nachdem sie ihren Job als Sekretärin am 1. Physikalischen Institut der Uni Wien niedergelegt hatte - das war 1990 -, stand sie damals 60-jährig an der Inskribtionsstelle. Studieren wollte sie immer schon. Als eines von fünf Kindern, die von ihrer Mutter allein großgezogen wurden - Hellmichs Vater starb 1945 an Leukämie -, war das finanziell undenkbar. "Es war schon ein Wunder, dass ich 1948 maturieren konnte", erzählt sie. "Ich habe dann eine übliche Frauenlaufbahn eingeschlagen." Nach Jobs bei einem Salzburger Patentanwalt und in einer Konditorei zog Hellmich 1954, ihrem damals noch zukünftigen Mann zuliebe, nach Wien. 1956 dann die Hochzeit, 1957 die Geburt der ersten Tochter Elisabeth, danach kam Tochter Eva zur Welt und zwei Jahre später Sohn Christian. 1973 gings wieder zurück ins Job-Leben - bis zur Inskription 1990.

Studium brachte feministische Sichtweisen

Zunächst sollten es die Ernährungswissenschaften sein - sie waren es aber nicht. Hellmich suchte nach einem Fach, in dem ihr Alltagswissen eine Rolle spielen konnte - und stieß auf die Soziologie in Fächerkombination mit Frauenforschung, Sozialgeschichte und Soziolinguistik. "Damals hat sich mein Feminismus entfaltet", erzählt sie. In den zehn Jahren, die sie bis zum Diplom studierte, habe sie sich die echten Zuckerln aussuchen können, schwärmt sie. Sponsion war im Jahr 2002, die Diss hat sie gleich angehängt.

Altersdiskriminierung parallel zu Sexismus und Rassismus

Im Zuge ihrer Forschung untersuchte die heute 76-Jährige zunächst das mediale Auftreten alter Frauen - in redaktionellen Beiträgen, Fotodarstellungen und Karikaturen im Allgemeinen und in feministischen Zeitschriften im Speziellen. Ihre Forschungsergebnisse beschreibt Hellmich als ernüchternd: "Ageismus", die Altersdiskriminierung, die parallel zu Sexismus und Rassismus konstruiert sei, beginne schon bei der Sprache. "Keiner sagt 'alt'. Man sagt lieber 'dritte Lebensphase' oder 'ältere Menschen' ..." Da schwinge viel Angst mit, aber auch Altersfeindlichkeit, die man zunächst an sich selber erkennen müsse. Es entstehe - und die Beobachtung zeige das auch - eine unrealistische Wahrnehmung der Lebenswelt alter Menschen. Es gebe kaum positive Altersbilder, auch keine Alterskultur - das fördere das Gefühl der Nutzlosigkeit und der Scham, ganz besonders, wenn man arm sei.

Gefahr der Ausnahmefrau

Die Untersuchung feministischer Zeitschriften stimme auch nicht euphorisch: "Es gibt sie, die alten Frauen", sagt sie, "aber gibt es sie auch, wenn sie nicht prominent sind?" Sie habe keinen Unterschied zur Gesamtgesellschaft entdecken können. Klar gebe es Hinweise auf Pionierinnen, die auch sehr angesehen seien, die aber mit der Lebensrealität alter Frauen nichts zu tun haben. Hellmich: "Hier besteht die Gefahr der Ausnahmefrau." Und als die möchte sie keinesfalls gesehen werden. Weil nämlich viele Dinge gut zusammenspielen müssen, um das zu machen, was sie getan hat: Gesundheit, finanzielle Absicherung, Lernwille und Neugierde. Aber auch die Familie musste sie für diese Arbeit freispielen.

Elisabeth Hellmichs Dissertation wird in überarbeiteter Buchform unter dem Titel "Forever Young? Die Unsichtbarmachung alter Frauen in der Gegenwartsgesellschaft" Mitte April im Milena Verlag erscheinen. (Heidi Aichinger/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 24.3. 2007)