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Studenten protestieren gegen die Verfassungsreform in Kairo.

Foto: APA/EPA/KHALED EL FIQI
Kairo - Nur eine Woche nach der Zustimmung des Parlaments hat Ägyptens Staatsführung die von ihr gewünschten Verfassungsänderungen am Montag dem Volk zur Bestätigung vorgelegt. 36 Millionen Bürger waren zu dem Plebiszit aufgerufen, das sowohl von den Anhängern von Staatschef Hosni Mubarak als auch von der Opposition als reine Formsache angesehen wurde. Islamische, liberale und linksgerichtete Oppositionsgruppen hatten zum Boykott des Urnengangs aufgerufen. Insgesamt 34 Verfassungsänderungen sollen die Festigung des autoritären Regierungssystems gewährleisten und die Muslimbrüder von der Macht fernhalten. Zugleich wird das vor Jahrzehnten unter Präsident Gamal Abdel Nasser hoch gehaltene Staatsziel des Sozialismus aus der Verfassung gestrichen.

Bis zum Mittag gaben nur wenige Bürger ihre Stimme ab. Auf den Stimmzetteln konnten die Bürger nur für das Gesamtpaket "Einverstanden" oder "Nicht Einverstanden" ankreuzen. Die 9900 Wahllokale sollten bis 19.00 Uhr geöffnet sein, das amtliche Ergebnis wurde nicht vor Dienstag erwartet. Mubaraks Sohn Gamal äußerte die Erwartung, dass sich mehr als 20 Prozent der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligen.

Regierungsgegner verhaftet

Nach Angaben von Augenzeugen nahm die Polizei im Zentrum von Kairo 16 Regierungsgegner fest, die gegen das Referendum demonstrieren wollten. Fünf protestierende Mitglieder der liberalen Ghad ("Morgen")-Partei von Ayman Nour wurden in zwei Provinzstädten im Nil-Delta festgenommen. Rund 300 Richter demonstrierten in Kairo im Gebäude der Justizgewerkschaft gegen die Verfassungsreform, die die Rolle der Justiz bei der Überwachung künftiger Wahlen einschränkt. 50 Aktivisten rezitierten vor der Journalistengewerkschaft muslimische Totengebete für die ägyptische Verfassung.

Oppositionsgruppen erklärten, die Verfassungsrevision bringe nicht mehr Demokratie, sondern schränke die Bürgerrechte noch weiter ein. Auch die USA hatten Bedenken angemeldet. Mubarak und seine Nationaldemokratische Partei bezeichnen die Reform dagegen als Maßnahmenpaket gegen einen Missbrauch des Islam für politische Zwecke. Außerdem soll die Ausweitung der Befugnisse der Polizei bei Festnahmen und Hausdurchsuchungen im Kampf gegen Terrorismus helfen. Bei den Änderungen der Kriterien für die Präsidentenwahl sieht die Opposition einen Versuch, den Weg für einen nahtlosen Machtwechsel zu ebnen: Bei Amtsverzicht oder Tod des 78-jährigen Mubarak soll nach dem Verdacht seiner Kritiker alles auf dessen Sohn Gamal als Nachfolger hinauslaufen. Mubarak steht seit 26 Jahren an der Spitze des Landes.

Muslimbruderschaft

Die Muslimbruderschaft (Jamiat al-Ikhwan al-Muslimun), stärkste oppositionelle Kraft in Ägypten, ist offiziell verboten. Zahlreiche ihrer Mitglieder sitzen im Gefängnis. Dennoch bildet sie mit 88 Abgeordneten, die als Unabhängige gelten, die größte Oppositionsfraktion im Parlament. Da es in Ägypten verboten ist, eine religiöse Partei zu gründen, sind sie dagegen, dass sich in Zukunft nur Mitglieder von Parteien um das Präsidentenamt bewerben dürfen. Im September vergangenen Jahres hatte Mubarak erstmals eine Präsidentenwahl mit mehreren Kandidaten gewonnen. Früher hatte sich der Staatschef per Referendum ohne Gegenkandidaten im Amt bestätigen lassen.

Gegründet wurde die Moslembruderschaft 1928 von dem Volksschullehrer Hassan al-Banna (1906-1949) nach der Devise: "Gott ist unser Ziel, der Koran ist unsere Verfassung". 1954 wurde die Organisation unter dem Militärregime verboten, zahlreiche ihrer Führer zum Tode verurteilt. Danach wurde sie aber wieder vorübergehend legalisiert. Nach der Ermordung des Präsidenten Anwar al-Sadat 1981 ging dessen Nachfolger Mubarak mit aller Härte gegen die Muslimbrüder und andere islamistische Gruppen vor. (APA/AFP/dpa)