Mischen die Jazzszene produktiv auf: Peter Rom, Bernd Satzinger und Daniel Rieger (v. li.).

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Wien – Neulich, im WUK: Trauben junger Menschen, deren Aufmerksamkeit sich auf zwei ebenso junge Saxofonisten auf der ebenerdigen "Bühne" richtet, die sich dort die Seelen aus den Leibern spielen. Clemens Salesny und Wolfgang Schiftner türmen, angetrieben von Trommler Thomas Froschauer, brennend intensive Geräuschklänge auf. Wenig später, am selben Abend: Acht Musiker wiegen sich in den dampfen - den Free-Rock-Funk-Sounds, in de nen, von Salesny gelenkt, Miles Davis’ berühmter "Tribute To Jack Johnson" wiederaufersteht – heftig akklamiert von der Zuhörerschaft; ein Abend, wie man ihn seit einer Weile regelmäßig im WUK erleben kann.

Die JazzWerkstatt Wien hat zum dritten Mal ihre Pforten geöffnet, lädt bei freiem Eintritt zu Proben und Konzerten – unter, verglichen mit 2005, geänderten Vorzeichen freilich, als das von Pianist Clemens Wenger initiierte, noch unbekannte Sechserkollektiv erstmals seine Zelte an der Währinger Straße aufschlug. Zwei Jahre, einen Hans-Koller-Preis, acht Tonträger auf dem Werkstatt-eigenen Label und zahlreiche Einladungen auf Festivals später ist die musikalische Do-it-yourself-Initiative das Thema der Jazzszene.

"Anfangs wollten wir einfach nur unsere im Probenkeller erarbeitete Musik aufführen, ihr öffentliche Beachtung verschaffen. Es war nicht abzusehen, welche mediale Wahrnehmung das haben würde – auch nicht, dass damit der Aufbau einer Infrastruktur, von Label und Vertriebsnetz, verbunden ist", so Bassist Bernd Satzinger, der mit seinem tatsächlich "Wurschtsemmerl" benamsten Trio soeben sein CD-Debüt als Leader auf JazzWerkstatt Records vorgelegt hat, und der sich mit seinen Aussagen im Einklang mit den zum Interview geladenen Kollegen Daniel Riegler und Peter Rom weiß (das Kollektiv komplettieren die genannten Herren Salesny, Schiftner und Wenger). Auch unter anderen jungen Musikerschaften haben die Wiener Schule gemacht, in München und Bern denkt man über ähnliche Netzwerke nach, in Graz findet bald erstmals eine eigene, einwöchige JazzWerkstatt statt.

Ob dieser neue alte Trend hin zu Selbstinitiative auch den Startbedingungen der jungen Jazzer-Generation von heute geschuldet sei? "In den 70ern war es noch so, dass ein Künstler versucht hat, bei einer Plattenfirma unterzukommen, diese Frage stellt sich bei Musik, wie wir sie machen, heute praktisch nicht mehr. Zudem gibt es heute irrsinnig viele Musikschaffende mit guter Ausbildung", so Gitarrist Peter Rom, der mit seinem Trio Punk, Noise und Jazz fusioniert.

Der satte Markt

Er spricht damit implizit ein Problem an, das Rainer Schulze in der FAZ kürzlich auf die provokante Formel "Der Markt ist gesättigt" gebracht hat: Immer mehr gut ausgebildete Jazzer träfen auf ein stagnierendes (in Österreich immerhin langsam wachsendes) Publikumspotenzial, während immer noch überproportional viele Mittel in die Reproduktion historischer Musik flössen.

Auch in der wirtschaftlich zurzeit besser gestellten Alpenrepublik ist die Lage für junge Musiker alles andere als rosig: Schlanke 9000 Euro beträgt das Budget für die JazzWerkstatt-Wochen 2007, 5000 schießt die Stadt Wien zu, das ehrenamtlich werkende Leitungskollektiv (sämtliche Musiker treten ohne Gage auf) ist froh, wenn es kein Geld aus eigener Tasche zuschließen muss.

Posaunist und Komponist Daniel Riegler, der u. a. die Bigband Studio Dan leitet und im Klangforum Wien arbeitet, präzisiert die Stoßrichtung: "Die JazzWerkstatt ist kein Club, kein Festival, sondern eine Infrastrukturmaßnahme – eine Plattform für Leute zwischen Universität und freiberuflichem Leben, die bisher gefehlt hat."

Ergo sei eine ganzjährig bespielbare Probebühne, auf der Projekte unter professionellen Bedingungen reifen könnten, "definitiv ein langfristiges Ziel", so Riegler. Dass es an mit Ideen und Energien ausgestatteten Talenten dafür nicht mangelt, das beweist die JazzWerkstatt noch heute, im WUK. (Andreas Felber / DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.03.2007)

24. 3.: WUK: Proben ab 14.00, Konzert ab 20.00; 26.–31. 3.: JazzWerkstatt Graz im Theater am Ortweinplatz