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Der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky über den rauen Look in seinem Film "Die Fälscher": "Ich erinnere mich an KZ-Filme, die waren fürchterlich, gerade weil sie so ästhetisch waren."

Foto: APA/PFARRHOFER
Am Freitag startet der für sieben Deutsche Filmpreise nominierte Streifen "Die Fälscher" des Österreichers. Mit Bert Rebhandl spricht er über ästhetische Konzentrationslagerfilme, Rückschläge und die vielen Freunde des Ruhms.

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Standard: Herr Ruzowitzky, wenn man auf Ihre bisherigen Filme sieht, vor allem auf den großen Erfolg des Schockers Anatomie, dann hätte man nicht unbedingt einen Film wie Die Fälscher erwartet. Wie kam es dazu?

Stefan Ruzowitzky: Es gibt da diese Autobiografie von Adolf Burger, einem Überlebenden der Konzentrationslager. Darin ist die Fälscherwerkstatt zwar nur ein Teil, er war aber die Figur, die das Ganze ins Rollen gebracht hat, der geistige Vater. Des Teufels Werkstatt ist ein klassisches literarisches Erinnerungsbuch, mit vielen dokumentarischen Passagen, nach dem Motto: Das darf nicht in Vergessenheit geraten.

Standard: Der Film beginnt mit einem Prolog nach dem Krieg in Monte Carlo. Damit ist schon eine andere Tonart angeschlagen als in einem traditionellen KZ-Drama.

Ruzowitzky: Wir sehen einen Mann, der ein Happyend hat. Er sitzt nach dem Zweiten Weltkrieg an der Côte d'Azur mit einem Koffer voll Geld, einer schönen Frau an der Seite, und er fragt sich: Warum ich? Habe ich das verdient? Die Beantwortung dieser Frage ist in gewissem Sinn der Film. Dieser Prolog und die ersten paar Szenen sind insofern schon berechtigt.

Standard: Die Fälscher bekommt dadurch, wie auch durch die Besetzung der Hauptrolle mit Karl Markovics, eine bestimmte Richtung - wie eine Schwerenöter-Komödie, die ernst bleiben muss.

Ruzowitzky: Was ich interessant fand an den vielen Geschichten, die wir von KZ-Überlebenden kennen, ist, dass sie überwiegend von Intellektuellen stammen: der Chemiker Primo Levi, der Soziologe Bruno Bettelheim, Ärzte, Pianisten - das ist eine sehr spezielle Perspektive im Gegensatz zu den Arbeitern und Handwerkern, von denen wir erzählen. In einem KZ wie Sachsenhausen gab es eben Möglichkeiten, sich durchzubringen und dem Tod manchmal auszuweichen, zumal wenn man - wie die Figur, zu der wir Salomon Sorowitsch entwickelt haben - die Schmähs gekannt hat.

Standard: Die Fälscher hat, über die Erinnerungen von Adolf Burger hinaus, einen historischen Kern.

Ruzowitzky: Die "Operation Bernhard" hat es tatsächlich gegeben. Die Nazis haben unwahrscheinlich viel Geld gedruckt. Sie haben das auch gebraucht wie einen Bissen Brot. Bei der Geschichte mit dem Ultimatum, das die Produktion der Dollars anlangt, da haben wir ein bisschen geschummelt. Da haben die Häftlinge in dem Moment, in dem das Leben von Geiseln auf dem Spiel stand, schneller nachgegeben als im Film. Aber die Sabotage-Debatte haben sie ständig geführt. Sie waren sich bewusst, dass sie kriegswichtige Güter produzieren. Die Nazis haben damit ihre Rohstoffrechnungen beglichen.

Standard: Nicht zuletzt dank der Kameraarbeit von Benedict Neuenfels hat Die Fälscher eine ausgeprägte, heutige Ästhetik. Kann man sich so ein Bild von einem Konzentrationslager machen?

Ruzowitzky: Ich erinnere mich an KZ-Filme, die waren ganz fürchterlich, gerade weil sie so ästhetisch waren. Da taumeln die Opfer von einer schön ausgeleuchteten Ecke in die andere, da fährt die Krankamera, und alle sind toll auf ausgemergelt geschminkt. Wir wollten da mehr das Unmittelbare, das Authentische reinkriegen, deswegen eben häufig die Handkamera - und ein rauer Look der Bilder.

Standard: An einigen markanten Stellen nützen Sie die Möglichkeiten der Tonbearbeitung, um uns das Bewusstsein von Sorowitsch zu erschließen. Er macht eine Horrorerfahrung, und kippt fast aus der Welt - ein vorweggenommener Tod.

Ruzowitzky: Ich muss gestehen, dass das eigentlich erst bei der Mischung entstanden ist. Da gab es ursprünglich eine komponierte Musik, dann kam aber beim Schneiden diese Idee, und das hat mich so überzeugt, dass wir das zweimal verwendet haben.

Standard: Es gibt einen Film von Ihnen, der ziemlich unterging: All the Queen's Men, eine Klamotte, wenn man so will, mit manchen Motiven, die Sie nun in Die Fälscher "seriöser" noch einmal aufgreifen.

Ruzowitzky: All the Queen's Men war sicher ein kleiner Rückschlag. Meine Sachen sind ein wenig sprunghaft, weil ich von Fall zu Fall nach anderen Kriterien entscheide. Ich bekomme viel angeboten, und nehme mir das, was mir interessant scheint. Ich bin nicht so der klassische Autorenfilmer, der seine Ideen selber hat und seine Bücher ausschließlich selber schreibt. Anatomie war eine zweiteilige Idee, als es mir von der Columbia angeboten wurde. All the Queen's Men wurde mir angeboten, und natürlich dachte ich mir: Mal was Großes, mal eine Komödie, das war einfach spannend, und es war am Ende aber auch sowieso ganz anders. Ich habe aber auf jeden Fall keinen Karrieremasterplan.

Standard: Die Fälscher ist inzwischen für sieben Deutsche Filmpreise nominiert und in alle Welt verkauft worden. Gab es davor auch manchmal Momente, in denen Sie sich Ihrer beruflichen Zukunft weniger sicher waren?

Ruzowitzky: Ich hocke ja neuerdings in vielen Gremien, und da hört man oft von Produzentenseite: Wir tragen das unternehmerische Risiko. Da kann ich nur sagen: Ich habe als freiberuflicher Regisseur auch ein unternehmerisches Risiko. Wenn ein Film einmal nicht läuft, bekommt man das schon sehr direkt zu spüren. Umgekehrt aber auch: So viele alte Freunde wie gerade vor und nach der "Berlinale" hatte ich noch nie.

Standard: Was kommt als nächstes?

Ruzowitzky: Wohl ein Kinderfilm, nach dem Buch Die Hexe Lili von Knister.

Standard: Fühlen Sie sich eigentlich mehr als Österreicher oder als Deutscher?

Ruzowitzky: Ich bin ja in Österreich geboren, aber gelernter Deutscher, weil ich dort aufgewachsen bin. Dazwischen fühle ich mich eigentlich ganz wohl, auch wenn ich jetzt mit Frau und zwei Kindern wieder in Österreich lebe.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.3.2007)