Auch wenn das unter den gegebenen politischen Verhältnissen unglaublich erscheint, kommt es doch manchmal vor: Man(n) kann auch überkompetent sein. Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun war von seiner Abfüllung mit göttlicher Weisheit in frauenpolitischen Dingen wohl selbst ein wenig überrascht, als er Dienstag vor dem Parlamentsklub der FPÖ zu folgender Zungenrede anhub: „Dass ich einer Frauenministerin erklären muss, was die Frauen wollen, ist ja wirklich ein starkes Stück.“

Aufklärungsbedarf sah der Bauknecht des HERRN aber auch bei der Gesundheitsministerin, die er wissen ließ: „Da muss eine Ministerin sich hinstellen und Kondome verteilen. Da muss ich fragen: Was hat denn die im Kopf?“ Kein Wunder, dass fern von Frau Kdolskys Wirken alles besser ist: „Wie gesund sind die Kinder in Afrika!“ lobte er seelenheilsame Kondomabstinenz, nicht ohne schmerzerfüllt einzuräumen: „Ich weiß schon, dass wir in Österreich nicht afrikanischen Verhältnisse herstellen können.“

Möglicherweise werden die Frauenministerin und einige andere Vertreterinnen ihres Geschlechts dem Erklärungszwang des Kirchenfunktionärs weniger abgewinnen können, als dieses starke Stück es verdiente. Das wäre insofern schade, als Beispiele an Standhaftigkeit und Beharren auf einer Meinung, von deren Richtigkeit man überzeugt ist, in Zeiten der rot-schwarzen Koalition auch dann selten geworden sind, wenn es sich dabei nicht um Vorschläge handelt, die zurück ins Mittelalter, sondern um solche, die in eine hellere Zukunft weisen.

Es ist wirklich ein starkes Stück, dass sich nun Wirtschaftswissenschafter zu Hunderten zusammenrotten müssen, um der SPÖ zu erklären, dass das, was sie bis vorgestern wollte, vernünftig und gerecht genug ist, um es nicht heute kampflos preiszugeben, sondern auch morgen noch zu wollen.

Die Phrase von der Erhaltung des Mittelstandes war schon immer ein Vorwand zur Erhaltung der Privilegien höherer Stände. Ihre aktuelle Belebung zwecks Abschaffung der Erbschaftssteuer ist nur ein weiterer Beleg dafür. Das weiß die SPÖ-Spitze natürlich, aber aus Angst vor populistischem Gegenwind lässt sie sich von einer ÖVP, die ihr politisches Geschäft ernst nimmt und konsequent betreibt, nur allzu rasch neben der Schneid auch gleich ihre Prinzipien abkaufen. Dass zwei Drittel der Bevölkerung noch nie etwas geerbt haben, muss sich eine Partei, die die Interessen jener zwei Drittel zu vertreten behauptet, nun von Ökonomen anhören, denen nicht einmal der ÖVP-Generalsekretär Hass auf die Reichen als Motiv unterstellen wird.

Es wird interessant sein zu beobachten, was die SPÖ aus diesem außerkoalitionären Rettungsversuch für die Erbschaftssteuer macht. Zuzutrauen wäre ihr, dass sie bös ist, weil ihr unabhängige Fachleute beim Umfallen in die Rücken fallen und ihr aufrechten Gang abverlangen wollen. So etwas kommt ja nicht alle Tage vor. Die bisherige Kanzler-Strategie der Resignation wird damit jedenfalls nicht attraktiver. Erst das Richtige fordern, es preisgeben, wenn die ÖVP Nein sagt, dann jammern, lieber wäre man eh nicht umgefallen, um das Kapitel mit dem einem Hinweis auf „die Notwendigkeit des Konsenses“ abzuhaken – das wirkt allmählich ermüdend.

Soll besagte Notwendigkeit des Konsenses die Einbahnstraße bleiben, auf der die ÖVP nach dem Schüssel-Fahrplan ihre Schäfchen ins Trockene bringt? Irgendwann wird sich die SPÖ entscheiden müssen. Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Nur eine Prise von Launs Standhaftigkeit, das wär ’s. (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 23.3.2007)