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Der Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich - der erste Durchgang der Wahl findet am 22. April statt - wird erstmals stark vom Internet beeinflusst. Umfragen zeigen, dass bis zu 24 Prozent der französischen Internet-User ihre Wahlentscheidung vom Web abhängig machen könnten.
Darauf reagieren die PräsidentschaftskandidatInnen: Eigene Webseiten gehören sowieso längst zum Standard-Programm, zusätzlich werden Weblogs, Foren oder Web TV als Mittel zum Stimmenfang eingesetzt.

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Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy bietet auf seiner Webseite ein Web TV mit dem Namen NS TV an. Gezeigt werden Reportagen, Interviews und Hintergrundberichte über den Spitzenkandidaten der UMP-Fraktion. Außerdem existieren über 900 Weblogs von Anhängern des französischen Innenministers.

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Sarkozys Gegenspielerin, die sozialistische Kandidatin Segolene Royal, baut ihren gesamten Wahlkampf auf einer öffentlichen Debatte auf. Auf ihrer Website www.desirsdavenir.com haben User die Möglichkeit "Wünsche an die Zukunft" zu äußern. In den Wochen vor der Präsidentschaftswahl richteten über 2,7 Millionen User Anfragen und Ideen an Royal.
Um ihr Programm auf die Vorstellungen der Bürger abzustimmen, finden außerdem regelmäßige Debatten mit Bürgern statt. Eines der ersten Ergebnisse dieser rund 6000 Diskussionsveranstaltungen: Royal will, wie von Bürgern gefordert, Mindestpensionen monatlich auszahlen und nicht mehr vierteljährlich.

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Das Internet wird im Wahlkampf aber auch dazu verwendet, um politische Gegner zu schwächen. Gegner Royals brachten ein Video von der Politikerin in Umlauf, auf dem sie sich gegen die von den Sozialisten propagierte 35-Stunden-Woche äußerte.

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Dieses Negative-Campaigning kennt man auch in den USA. Die politische Schlammschlacht findet dort regelmäßig im Internet statt, besonders die Online-Enzyklopädie Wikipedia gerät ins Schussfeld von politischen Aktivisten, die regelmäßig Beiträge verändern und zum Beispiel Lebensläufe von PolitikerInnen einfach umschreiben. IP-Adressen von einzelnen Mitarbeitern von Kongressabgeordneten wurden auf Grund dessen sogar schon gesperrt.

Am häufigsten ist der Eintrag über George W. Bush abgeändert worden. Wikipedia hat mittlerweile Konsequenz daraus gezogen und User, die nicht registriert sind oder deren Account jünger als vier Tage alt ist, dürfen den Eintrag nicht bearbeiten.

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Dass das Internet im Wahlkampf eine immer wichtigere Rolle spielt hat auch Hillary Clinton erkannt. Sie gab ihre Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahl 2008 mit den Worten "I'm in... Let's chat" via Internet bekannt. Innerhalb einer Woche registrierten sich auf ihrer Website über 150.000 Unterstützer.

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Hillary Clinton gewährt auf ihrer Homepage per Mausklick Zutritt in ihr Wohnzimmer. Auf der Couch sitzend plaudert sie auf du und du mit dem Wähler. Ähnlich wie Segolene Royale versucht auch Clinton die Bürger mitreden und mitentscheiden zu lassen. Per Web-Video fordert die Kandidatin zum Dialog auf beantwortet Fragen potentieller Wähler. Das Spektrum der gestellten Fragen ist weit reichend: Die User interessiert Clintons politisches Programm, ihre Lieblingsfilme, oder Neuigkeiten über Hillarys Tochter Chelsea.

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Auch Hillarys Mitstreiter setzen im US-Wahlkampf auf Präsenz im World Wide Web, denn wie es Professor John Palfrey von der Harvard University formuliert, ist es heute "mitentscheidend, wer online seine Anhänger am besten mobilisiert."

Besonders die Kandidaten der Demokraten bemühen sich um die potenzielle Wählerschaft im Web. Es ist für sie eine gute Gelegenheit, ein modernes, jugendliches Image zu transportieren.
John Edwards, ehemaliger Senator von North Carolina, ließ eine seiner Reden vor rund 1.000 Menschen live auf seiner Webseite übertragen. Dort schauten über 50.000 Menschen zu.

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Barack Obama, ebenfalls Kandidat der Demokraten, fordert auf seiner Website unter dem Motto "This Campaign is About You" zur Beteiligung auf. Geboten werden direkter Kontakt mit Unterstützern, Weblogs und Vernetzung. Auf Barack TV kann man Wahlkampfveranstaltungen mitverfolgen.

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Eine neue Rolle im US-Internet-Wahlkampf nimmt die Plattform YouTube, über die Videos verbreitet werden, ein. Sogar Wahlausgänge soll YouTube mittlerweile beeinflussen können, lautet die Einschätzung von Experten. Denn YouTube stellt eine billige Möglichkeit, Botschaften zu transportieren, dar.
Andererseits müssen Politiker ständig auf der Hut sein, denn es gibt unzählige Hobbyfilmer, die auf Ausrutscher der Kandidaten warten, um diese dann via YouTube zu publizieren. Der Wahlkampf wird dadurch zum Reality-TV. Zwei Wochen lang war unklar, wer den für die Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton wenig schmeichelhaften Spot bei YouTube platzierte. Es kam heraus: Der Produzent steht Barack Obama nahe - dessen Wahlkämpfer distanzieren sich eiligst.

Die Washington Post spricht in Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl 2008 von der ersten "YouTube-Wahl".

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MySpace.com hat einen eigenen Bereich für die US-Wahl 2008 eingerichtet. Im so genannten Impact Channel finden Interessierte schnell einen Zugang zu den persönlichen Profilen, Blogs und Websites der Kandidaten.
In den kommenden Wochen sollen weitere Funktionen auf den Websites hinzu kommen. So sollen sich Wähler registrieren und auch für ihre Kandidaten spenden können. "Als meistbesuchte Website in den USA wird MySpace eine wichtige Rolle bei der nächsten Wahl spielen", erklärte der Chef des Unternehmens, Chris DeWolfe.

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Hierzulande ist man vom (manipulativen) Wahlkampf 2.0 noch weit entfernt. Doch auch deutsche und österreichische Politiker begeben sich immer öfter auf Stimmenfang im Internet.

Die CDU startete ein Projekt mit dem Namen "Wahlfakten". Auf der Webseite werden Argumenten der politischen Gegner Fakten gegenübergestellt. "Journalisten und politisch interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich auf Grundlage der unterschiedlichen Argumenten und Fakten schnell ihre eigene Meinung bilden, ohne lange recherchieren zu müssen", heißt es auf der Seite.

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Das Projekt Kandidatenwatch.de wurde mittlerweile von Abgeordnetenwatch.de abgelöst. Auf dieser Plattform können Bundestagsabgeordnete sowie Hamburger Landesparlamentarier öffentlich einsehbar von Bürgern befragt werden. Zusätzlich werden die Ausschussmitgliedschaften sowie das Stimmverhalten der Abgeordneten bei wichtigen Beschlüssen dokumentiert.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel präsentiert sich auf der Website www.bundeskanzlerin.de. Seit Juni 2006 gibt sie sich hier als "Kanzlerin direkt" und stellt Videobotschaften ins Netz. Über den Video-Podcast tritt Merkel mit den Bürgern in Kontakt und bezieht zu aktuellen politischen Debatten Stellung.

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Unter www.direktzurkanzlerin.de, einem Projekt, das von Berliner Studenten initiiert wurde, kann man Anfragen an die Kanzlerin richten. Tausende Deutsche haben ihre Botschaften an Angela Merkel bereits deponiert, die Leser können die Postings bewerten und sorgen so für ein Beitrags-Ranking. Alle ein bis zwei Tage wird eine Nachricht vom Presse- und Informationsamt der deutschen Regierung beantwortet.

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Das Projekt wurde nun auf Österreich und weitere Länder ausgeweitet - darunter die Schweiz und Norwegen. Via www.direktzumkanzler.at kann man mit Alfred Gusenbauer in Kontakt treten. Ziel ist es, jedem Bürger die Möglichkeit zu geben, sich "medienwirksam und direkt an die demokratische Spitze Österreichs" zu wenden.

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Auch Österreichische PolitikerInnen entdecken zunehmend Weblogs als Möglichkeit sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Benita Fererro-Waldner schrieb schon im Präsidentschaftswahlkampf 2004 regelmäßig Einträge in ihr Online-Tagebuch.
Sozialminister Erwin Buchinger informiert unter www.erwin-buchinger.at über seine politische Arbeit, seinen Tagesablauf und seine Freizeitbeschäftigungen.

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Landwirtschaftsminister Josef Pröll schreibt, etwas unregelmäßiger, an seinem Pröll-Blog.
Gleich doppelt vertreten im Netz ist die Grüne Wiener Kultursprecherin Marie Ringler, die neben ihrer persönlichen Seite noch www.keinmaedchenpensionat.org betreibt und dort mit einer Kollegin aus Deutschland über Politik philosophiert.

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Dass auch Österreicher Negative-Campagning im Internet betreiben können, bewies die ÖVP vor zwei Jahren. Im Wahlkampf vor der Landtagswahl 2005 sorgte eine vierseitige Zusammenfassung einer "Medienschulung" des Wahlkampfteams der steirischen ÖVP für Aufregung. Darin wurden die Vorteile von Leserbriefen ("probates Mittel, um Informationen bzw. Gerüchte zu streuen") und Internet-Postings ("können auch unsachlich und untergriffig sein") für den Wahlkampf hervorgestrichen.

Im Bild: Waltraud Klasnic und Franz Voves.

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Der Wahlkampf wird also, wenn man sich die Beispiele aus den USA oder Frankreich ansieht, zunehmend im Internet stattfinden. Dass der Internet-Wahlkampf das neue "Wundermittel" beim Stimmenfang sein wird, ist trotzdem nicht zu erwarten. Denn die Kampagnen im Internet erreichen laut Einschätzungen französischer Experten sowieso nur die Menschen "die bereits an Politik interessiert sind".

In den USA funktioniert die Mobilisierung über das Internet trotzdem schon sehr gut – gerade was die Akquirierung von Freiwilligen und Spendengeldern betrifft. (rwh/derStandard.at, 16.4.2007)

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