Die ersten Bilder

von Piaggios MP3 haben mich schon fasziniert. Drei Radeln. Das kenn ich aus meiner Kindheit. Nur heute ist ja alles anders. Deshalb sind die Doppelbock auch nicht hinten, sondern vorne. Designtechnisch jetzt nicht der Weltwurf, würde ich meinen, aber ingenieurtechnisch ein aufgedröselter gordischer Knoten.

foto: sulzbacher

Die beiden Patscherl

vorne sind nämlich nicht wie damals bei meinem Lupo-Roller über eine Starrachse miteinander verbunden, sondern jeder Vorderflügel ist eigens aufgehängt. Das heißt, wenn man den MP3 ums Eck wirft, dann verschwindet das kurveninnere Rad fast im Vorderradkoder, während das zweite Haxel sich rausreckt wie bei einem Pudel, der schon tagelang keinen Hydranten mehr gesehen hat. Den Blick, den der Pudel dabei draufhat, den zeigen die Passanten, wenn sie den Dreirrad-Roller sehen.

foto: sulzi

Die Idee

hinter dem vorderen Zwillingsradl war aber wohl nicht, dass Fußgänger stolpern und Autofahrer unfreiwillig den Fahrstreifen wechseln, wenn sie wieder einmal unweigerlich dorthin lenken, wo sie hinschauen. Grund war wohl, einen Roller zu bauen, der das ganze Jahr über gefahren werden kann und dem die Tücken der Stadt nichts anhaben können. Durch die zwei Pneus dort, wo sonst das Vorderrad ist, hat man nämlich Grip ohne Ende.

foto: sulzi

Straßenbahngleise

im Kurvenscheitel kann man eigentlich voll nehmen, weil das Vorderrad nimmer stiften geht. Nur "eigentlich" deshalb, weil der Hauptständer bald einmal schleifert wird, wenn man die Piaggio entsprechend ihrer Fähigkeiten ums Eck wirft. Und mit dem Eisengestell in den Straßenbahngleisen einhakeln ist sicher keine Freude. Aber sonst? Einfach nur Gas. Kann ja nix passieren mit den Stützradeln.

foto: sulzi

Noch

lustiger allerdings ist der kleine Knopf, auf dem der rechte Daumen bei jeder Bremserei seinen Platz findet. Fährt man mit einer Geschwindigkeit unter zehn km/h kann man nämlich den vorderen Kippmechanismus der beiden Räder blockieren. Wenn man fester in die Bremsen greift, dann funktioniert das sogar schon früher.

foto: sulzi

Und wie da

die Leut rundherum schauen, wenn man mit einem Roller an die rote Ampel hinprescht und dann beim Stehen kein Haxerl runter tut ist genial. Nicht nur ein Auto, das während des Standard-Tests bei einer grünen Ampel stehen geblieben ist, weil der Simmeringer Bezirks-Schumi damit beschäftigt war sein Unterkiefer von der Fußmatte zu lösen anstatt auf den Straßenluster zu schauen.

foto: sulzi

Mir hat das ja getaugt.

Und da die Bedienung der Sperre nach einem Minimum von Übung verlangt war es im Stadtverkehr eine willkommene Abwechslung. Aktiviert man das System während man gerade etwas Schräglage hat, ist das Losfahren besonders spannend. Nur mit Gefühl schafft man es dann, die MP3 nicht gleich auszubreiten. Aber die Sperre zu lösen, die Schweißfusserl auf den Boden zu stellen, den Roller aufzurichten und die Sperre neuerlich zu aktivieren kommt natürlich nicht in Frage.

foto: sulzi

Schaltet man

das System ein, gibt es einen Piepton. Dreht man den Motor über 2.500 Touren, gibt es zwei Pieptöne und das System schaltet sich automatisch ab. Extrem cool. Weniger lustig war aber der Moment, in dem ich mit aktivierter Sperre an der roten Ampel stand und auf einmal den Doppelpiep hörte, weil der Motor ob der arktischen Temperaturen seine Leerlaufdrehzahl ordentlich erhöhte. Damit ich extra cool aussehe, hatte ich die Arme natürlich verschränkt. Sofort schießt einem ein: Doppelpiep ist Freiheit.

foto: sulzi

Mit beiden Schwarteln

am Trittbrett und den Arme um den Bauch gewickelt, will man ad hoc gar nicht so viel Freiheit. Da muss man dann schon schnell reagieren, will man nicht unbedingt den MP3 doch noch in der Gegend verteilen und den Zuschauern die Bestätigung für ihr "Das kann ja gar nicht gehen!" geben. Ich hab ihn eh derhalten. Grad noch. Die Leerlaufdrehzahl wurde beim Faber übrigens sofort in Richtung Drehzahlkeller geschraubt. Kann also nimmer passieren.

foto: sulzi

Ich hab mich

stets gegen Roller verwehrt. Weil man mit den Dingern nicht gescheit bremsen kann. Auch damit bricht der MP3. Die Bremserei ist perfekt. Und selbst mit blockierenden Vorderrädern muss man sich nicht davor fürchten, sofort auf der Pfeife zu liegen. Jetzt ist perfektes Zangeln auch für Nudler wie mich möglich. Endlich.

foto: sulzi

204 Kilo

bei einem 250ccm-Roller mit 22,5 PS aus einem 4-Takt-Einzylinder-Motor sind jetzt nicht die Ansage bei der alle sagen "Bistdenndu?". Aber der MP3 geht echt gut. In der Stadt ist man damit Kaiser, auch wenn die Fuhre gar nicht einmal so schlank ist. Dafür ist der Roller wendig und hat immer Grip, so man sich das Hinterradl in Schräglagen jenseits der 40 Gräder nicht über den Hauptständer aushebelt. Vorne pickt er quasi am Boden. Hinten kann er schon einmal gehert werden. Aber das heißt dann driften und ist gewollt. Oder?

foto: sulzi

Mit dem Winterpaket,

das man ordern kann – Winterreifen, Windschutz und Heizdeckensystem – ist der neue Piaggio ein Ganzjahresfahrzeug. Also, sollte mich meine Mutter fragen, was sie mir heuer zum Geburtstag schenken soll, dann weiß ich schon was ich sagen werde. Denn ein preisliches Schnäppchen kann so ein genialer Roller natürlich nicht sein. Und vielleicht legt der Opa ja was dazu – dann nehm ich ihn am Sonntag auch mit in die Kirche. Den Opa mit dem Roller – was sonst? (Text: Guido Gluschitsch, Fotos: Martin Sulzbacher)

Link
Piaggio Faber

>>> Technische Daten

foto: sulzi

Piaggio MP3

Preis: € 6.599,–
Motor: wassergekühlter 1-Zylinder-4-Takt mit 4 Ventilen, Einspritzanlage und Katalysator. Leistung: 23 PS bei 8250 U/min., Elektrostarter. 85 mm Federweg vorne, 110 mm hinten. Doppelscheibenbremse vorne, eine Scheibe hinten. Sitzhöhe: 780 mm. Gewicht: 204 kg. Tank 12 l. Top-Speed: 103 km/h.