Wien - Mehr als 300 Wirtschaftswissenschafter aus ganz Österreich, quer durch alle Parteien, aus fast allen einschlägigen Instituten und Universitäten wollen das Ende der Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht tatenlos hinnehmen. Sie kämpfen für den Erhalt und die Reform der 130-Millionen-Euro-Steuer. Den Ärger, den die Aktion vor allem an der SPÖ-Spitze bewirken könnte, nimmt man schulterzuckend bis bewusst in Kauf.

Heute, Donnerstag, präsentiert sich die Ökonomen-Initiative den Medien. Auch wenn die Chance auf eine Rettung der Erbschafts- und Schenkungssteuer als sehr gering bis nicht vorhanden eingestuft wird, sagen die Proponenten der "Initiative Erbschaftssteuer", es gehe vor allem darum, "Haltung zu zeigen" und "ökonomische Vernunft" zu demonstrieren.

Wortführer des geballten wissenschaftlichen Aufgebots gegen den umstrittenen Beschluss von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler, Finanzminister Wilhelm Molterer sind Markus Marterbauer und Martin Schürz. Beide Ökonomen betonen im Gespräch mit dem Standard, dass sie als Privatpersonen an die Öffentlichkeit treten und keinesfalls ihre jeweiligen Institutionen vertreten würden. Wobei das im Falle Marterbauers wohl weniger Irritationen auslösen würde als bei Schürz.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), an dem Marterbauer seit Jahren arbeitet, hat sich bereits öffentlich für einen Reform der Erbschaftssteuer statt des Auslaufens der Steuer ausgesprochen. Die Nationalbank, in der Schürz als Volkswirt tätig ist, hat sich nach außen hin einer Meinung enthalten und tritt eher selten als Regierungskritikerin in Erscheinung.

Marterbauer, der auch als Gusenbauer-Berater tätig ist, sagte, die Initiative sei vor zwei Wochen gestartet worden. Es hätten so viele Menschen unterschrieben, dass man - trotz des klaren Beschlusses der Bundesregierung - für den Erhalt der Erbschaftssteuer auftreten wolle. Die Steuermittel könnte man gut in der Bildung brauchen, oder um den Faktor Arbeit zu entlasten. Die mit Abstand beste Mittel-Verwendung wäre aber die Finanzierung eines verpflichtenden Vorschuljahres. Kostenpunkt, laut Marterbauer, 165 Millionen.

Falsches Argument

Die Entlastung des Mittelstandes war eines der zentralen Argumente der ÖVP gegen das Beibehalten der Erbschaftssteuer nach dem jüngsten VfGH-Urteil. Schürz sagt hingegen: "Die Erbschaftssteuer ist keine Mittelstandssteuer." Analysiere man die Gesamtbevölkerung und nicht nur jenen Teil, der erbt, zeige sich klar: "Zwei Drittel der Bevölkerung haben noch nie etwas geerbt. Das ist aber der eigentliche Mittelstand." Nachsatz: "Ohne Erbschaftssteuer wird die soziale Ungleichheit ungemindert weitervererbt."

Gusenbauer sorgt sich unterdessen um die möglichen negativen Dominoeffekte für das Steuersystem, wenn auch die Schenkungssteuer fällt. Das müsse man sich genauer anschauen, sagt auch Molterer. Grunderwerbssteuer, Einkommenssteuer, die Stiftungseingangssteuer sind mit der Schenkungssteuer verknüpft. Marterbauer: "Das zieht einen Rattenschwanz an Problemen nach sich. Möglicherweise kennt man noch gar nicht alle." (miba/DER STANDARD, Printausgabe, 22.3.2007)