In dem böhmischen Dorf Trokavec stimmten 71 von 72 Bewohnern gegen die US-Radaranlage, die neben ihrem Ort errichtet werden soll. Die Menschen sorgen sich vor allem um ihre Gesundheit.

Foto: Schuster
Es ist ruhig in Trokavec – einer kleinen Gemeinde in Mittelböhmen. Nichts deutet darauf hin, dass noch am vergangenen Wochenende ausländische TV-Teams mit ihren Autos und Kameras das Gemeindeamt belagerten. Vergangenen Samstag fand in dem Ort, der knapp dreißig Kilometer östlich von Pilsen liegt, ein Referendum zur geplanten amerikanischen Raketenabwehrbasis statt.

Formell ging es zwar nicht darum „Ja“, oder „Nein“ zur Errichtung der Radarsystems zu sagen, denn das wäre vom Gesetz her auch gar nicht möglich. Deshalb sollten die Wähler auf diese Weise ihrem Bürgermeister den Auftrag erteilen alles zu unternehmen, um die Anlage zu verhindern. Das Ergebnis ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig: Von 72 Bewohnern, die an der Abstimmung teilnahmen, unterstützten 71 den Antrag des Bürgermeisters, der sich gegen die Radaranlage richtete.

Der Ort Trokavec liegt am Westende des Truppenübungsplatz Brdy, den es schon seit 1927 gibt. Mit seinen knapp 261 Quadratkilometern ist er der zweitgrößte in Tschechien. Die Stelle, wo die geplante Radaranlage stehen soll, liegt ungefähr zwei Kilometer Luftlinie von Trokavec entfernt. An den Wochentagen ist Trokavec wie ausgestorben, weil fast alle Bewohner irgendwo außerhalb arbeiten. Die meisten davon in den Eisenhütten in Hradek, oder der Bezirksstadt Rokycany.

Wenige Ausnahmen

Eine der wenigen Ausnahmen ist Josef Dubec, der neben dem Gemeindeamt wohnt und auf seinem Hof ein kleines Sägewerk hat. „Ich bin dagegen, wie auch alle hier in der Gegend. Aber das hat nichts mit den Amerikanern zu tun, sondern weil wir nicht wissen, was auf uns zukommen wird“, sagt er gegenüber dem STANDARD. Herr Dubec schneidet damit eine Frage an, die immer wieder an erster Stelle kommt: Welche Auswirkungen wird die Anlage auf die Gesundheit der Menschen in der näheren Umgebung haben?

Früher die Russen

Leider würde dieser Aspekt zu kurz kommen. Es wäre also, so Dubec weiter, kein Wunder, wenn die Kommunisten, die sich besonders stark gegen das Radarsystem engagieren, das nicht ausnutzen würden. „Früher waren die Russen mit ihren Raketen dort und niemand wusste, was dort hinter den hohen Mauern geschah. Das wird jetzt einfach vergessen“, so Josef Dubec. Auf dem Weg von Trokavec nach Rokycany fährt man zwangsläufig durch den kleinen Ort Vísky. Rechts von der Straßenkreuzung steht das gesellschaftliche und politische Zentrum des Ortes. Herr des Hauses ist der 62-jährige Rentner Lubomir Fiala. Im 40-Seelen-Ort Vísky ist er nicht nur der Inhaber des einzigen Ladens, sondern gleichzeitig auch Bürgermeister und Chef der freiwilligen Feuerwehr, die es immerhin auf gut 20 Mitglieder, also praktisch die Hälfte der Einwohner des Ortes, bringt.

Ortsvorsteher Fiala hat neben der Theke in seinem Laden das Gesetz über kommunale Abstimmungen liegen, und wenn gerade niemand im Geschäft ist, liest er es durch und macht sich Notizen. Zeit dafür hat der Rentner viel, weil täglich höchstens fünf Leute vorbeikommen und etwas kaufen. Montags, mittwochs und freitags kommen etwas mehr, weil es an diesen Tagen frisches Brot zu kaufen gibt. Nächste Woche tritt die fünfköpfige Gemeindevertretung von Vísky zusammen und will, wie schon zuvor in Trokavec, ebenfalls den Beschluss über die Abhaltung einer kommunalen Abstimmung zur amerikanischen Radaranlage fassen. „Die Amerikaner wollen alles platt machen, ich weiß das“, sagt Fiala dem STANDARD. Er glaubt auch zu wissen, dass im Umkreis von dreißig Kilometern rund um die geplante Anlage alle Bäume gerodet werden sollen.

Im Stich gelassen

Als Kommunalpolitiker fühlt sich Lubomir Fiala von der Regierung ganz besonders im Stich gelassen, wenn nicht gar verraten. Nachdem bekannt wurde, dass die Amerikaner ein offizielles Gesuch an Tschechien gerichtet haben, kam es zu einer Serie von Treffen zwischen Vertretern des Außenministeriums und den Bürgermeistern der Anrainer-Orte. Doch gebracht habe das nichts, so Fiala. „Die Treffen dauerten oft nur eine halbe Stunde, weil die aus dem Ministerium wieder zu anderen Terminen mussten. Oft schafften wir es nicht einmal uns gegenseitig vorzustellen.“

Zu Informationsveranstaltungen in Trokavec, Vísky, den Nachbarorten Cícov, Príkosice, Borovno, oder wie die Orte rund um den Truppenübungsplatz Brdy alle heißen, laden praktisch nur Gegner der Radaranlage ein. So wollen etwa die Sozialdemokraten Ende März im Nachbarort Príkosice unter dem Motto: „Die Radaranlage der USA in Tschechien“ eine Diskussionsveranstaltung abhalten.

Kurzes Gedächtnis

Die frühere Regierungspartei will mit ihren größten Kalibern – Ex-Regierungschef Jiří Paroubek und dem stellvertretenden Parlamentspräsidenten Lubomír Zaoralek – vorstellig werden. Doch an die selbstlosen Beweggründe der Oppositionspolitiker glauben nur wenige. Bürgermeister Fiala aus Vísky bemängelt vor allem das kurze Gedächtnis der Politiker, denn schließlich gab es die Anfragen aus Washington in Bezug auf das Raketenabwehrsystem schon vor zwei Jahren, als Paroubek und seine Sozialdemokraten das Land regierten.

Die Bürger des tschechischen Dorfs Trokavec machen gegen den Raketenabwehrschild der Amerikaner mobil, der neben ihrem Ort errichtet werden soll. Ein Referendum haben sie schon durchgeführt. Die Nachbardörfer folgen nun dem Beispiel. (Robert Schuster aus Trokavec, DER STANDARD, Printausgabe 22.3.2007)