Die Affäre in der Wiener Polizei mit den täglichen Berichten um angebliche Schmiergeldzahlungen aus Rotlicht-Kreisen an Beamte dürfte derzeit nur eine zumindest mittelbar beteiligte Gruppe freuen: die Unterwelt. Denn die Stimmung in der Kripo ist schlecht, sagte der Personalvertreter der Kriminaldirektion 1 (KD 1), Armin Ortner, am Dienstag der APA. Heikle Ermittlungen würden derzeit nicht gerne geführt, "weil es sehr heiß ist, wenn man wo hingreift". Die Beamten wollen nicht die Nächsten sein, die von Unterweltgrößen mit einer nicht korrekten Vorgangsweise in Verbindung gebracht werden.

Vorsichtig ist man auch im Innenministerium geworden: Das Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) nimmt zu den Ermittlungen in der Affäre nicht mehr Stellung. Inhaltliches sagte auch Oberst Rudolf Gollia, Sprecher des Innenressorts, nicht: "Das BIA ermittelt auf zwei Schienen: Die Ergebnisse werden der Dienstaufsicht, im vorliegenden Fall der Bundespolizeidirektion Wien, für Fragen des Disziplinarrechts sowie der Staatsanwaltschaft Wien zur strafrechtlichen Beurteilung vorgelegt. Die Umstände unterliegen im Übrigen der Amtsverschwiegenheit." Selbiges gelte übrigens auch für Beamte während des Zeitraums ihrer Suspendierung.

Sperrlisten

Eine der Haupt-Ermittlungsschienen des BIA dürfte derzeit die so genannten Sperrlisten betreffen, die im Zentrum der von Angehörigen des Rotlichtmilieus erhobenen Korruptionsvorwürfe stehen. Die Frage lautet: Hatten die Sperrlisten die Aufgabe, Lokale vor Kontrollen durch die Polizei zu schützen? Oder handelte es sich dabei um Listen, die zur besseren Koordination von Polizeiermittlungen dienten?

Nach der ersten Version waren etwa 300 Lokale auf den Listen und wurden gegen Zahlung eines bestimmten Betrags vor Kontrollen der Exekutive ausgenommen. Das soll Teil des Services des so genannten Nokia-Clubs gewesen sein, den ein Gürtel-Boss namens Richard S. installiert haben soll und bei dem es vor allem um Schutzgelderpressung gegangen sein dürfte. Der Haken an dieser Version: Sie wird von Harald H., dem Vorgänger des Gürtel-Bosses, und seinem Umfeld verbreitet.

Die andere Version: Die Sperrlisten hat es gegeben, es standen auch rund 300 Adressen darauf. Die große Mehrzahl soll aber Wohnungen betroffen haben, die vor allem in Zusammenhang mit Suchtgiftermittlungen observiert wurden. Nur ein kleiner Teil betraf Lokale, und davon waren wiederum ein kleiner Teil dem Rotlichtmilieu zuzurechnen. Die Listen dienten nach dieser Version der Koordination und Abstimmung zwischen verschiedenen Polizeidienststellen, damit nicht parallel an den selben Fällen ermittelt wird. Der Schutz vor Polizeikontrollen über den Nokia-Club soll nicht der Zweck der Sperrlisten gewesen sein.

Schutzgelderpressungen

Auch Oberst Roland Frühwirth hatte im Jahr 2004 Lokale auf der Sperrliste. Dabei ging es um einige Gürtel-Bordelle. "Dafür gibt es auch Aktenzahlen: 504 Res/KD1/04 und 508 Res/KD1/04. Im Wesentlichen ging es dabei um Schutzgelderpressungen", sagte Frühwirth. Der Ermittlungsauftrag sei damals übrigens vom derzeit suspendierten interimistischen Leiter der kriminalpolizeilichen Abteilung, dem damaligen KD 1-Chef Ernst Geiger unterzeichnet worden. Im Jänner 2004 klickten die Handschellen. Verhaftet wurden dabei Hauptprotagonisten aus dem Rotlichtmilieu, unter anderem Richard S. und Harald H.

Darin dürfte auch ein Teil des Problems liegen: Während Harald H. wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, verliefen die Ermittlungen wegen Schutzgelderpressung gegen den "Verein Freies Wien", der schon damals intern "Nokia-Club" genannt worden sein soll, im Sande. Hinter diesem "Club" steckte angeblich schon zu jener Zeit Richard S. Es gab keine Zeugen, welche die Schutzgelderpressung bestätigt hätten. Harald H. beteuert noch immer seine Unschuld und spricht bis heute von einer Intrige. Seinen Kontrahenten soll er Rache geschworen haben.

Nachdem die Existenz der so genannten Sperrlisten im Sommer des Vorjahres beim Prozess gegen Ernst Geiger bekannt geworden war, wurden sie aufgelöst. Seither gebe es wieder Probleme bei der Koordination von Amtshandlungen, berichten Insider. (APA)