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Nobelpreisträger Erwin Neher (links) und Hans Dietl, Geschäftsführer der Prothesen-Firma Otto Bock. Das Knowhow des Neurowissenschafter soll bei der Entwicklung neuer künstlicher Gliedmaßen helfen.

Foto: APA/Pfarrhofer
Wien - Nobelpreis-gekröntes neurologisches Wissen hat der Wiener Prothesen-Hersteller Otto Bock eingeholt. Der deutsche Biophysiker und Neurowissenschafter Erwin Neher, der 1991 mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, war diese Woche zu Besuch in den Produktionshallen von Otto Bock in Wien-Simmering. Dabei ging es unter anderem um eine mögliche Kooperation der Wiener High-Tech-Schmiede und dem Forschungsinstitut "Caesar" von Neher in Bonn (Deutschland).

Für die kommenden zehn Jahre erwartet und prophezeit Otto Bock-Geschäftsführer Hans Dietl einen deutlichen technologischen Schub in Sachen Prothetik. Während etwa eine heute gängige Handprothese die Grundbedürfnisse "Hand öffnen - Hand schließen" erfüllt, könnten schon bald Geräte entwickelt werden, bei denen der Patient gezielt einzelne Finger anzusteuern kann.

Dazu muss auf jeden Fall die Ableitung von Nervenimpulsen des Patienten zur Steuerung der künstlichen Gliedmaßen diffiziler werden. Eine heute auf dem Markt befindliche Handprothese wird meist nur durch zwei auf dem Armstumpf angelegte Elektroden gesteuert.

Künstliche Gliedmaßen mit Sensoren

Auch sollen künstliche Gliedmaßen in Zukunft mit einer ausgeklügelten Sensorik ausgestattet werden, damit der Träger tatsächlich etwas spürt. "Wir brauchen dazu immer mehr den Zugang zur Grundlagenforschung", so Dietl.

"Eine Vielzahl von Grundlagen ist da, wir können heute im Tierversuch im Gehirn Elektroden mit zehn oder 20 Ableitungskanälen implantieren", erklärte Neher. Damit könnten dann etwa auch feine Bewegungen einer Prothese gesteuert werden. Die technische und auch medizinische Umsetzung ist allerdings eine andere Sache. So bekommen die Wissenschafter erst nach und nach Abstoßungsreaktionen in den Griff, indem die Implantate beispielsweise mit einer speziellen Nano-Beschichtung versehen werden.

Zuverlässigkeit als oberste Priorität

Für den Techniker ist es eine besondere Herausforderung, eine hohe Zahl von Freiheitsgraden von Prothesen, also etwa eine Hand mit einzeln beweglichen Fingern, mit der gleichen Zuverlässigkeit herzustellen wie eine einfache Prothese. Zuverlässigkeit steht nämlich bei den Patienten ganz oben auf der Anforderungsskala. Ein Gerät, das etwa im Urlaub in einem fernen Land seinen Geist aufgibt, könnte für den Träger eine mittlere Katastrophe bedeuten.

Eine relativ junge Entwicklung, die etwa am Forschungsinstitut "Caesar" praktiziert wird, ist die so genannte virtuelle Prothese in einem 3D-Labor. Dabei kann der Patient einerseits vor Anfertigung eines teuren, maßgeschneiderten Gerätes verschiedene Fabrikate am Computer erproben. Auch gezieltes Training ist mit der virtuellen Prothese möglich.

Neher (63) studierte Physik und Biophysik und verlegte sich schon als junger Wissenschafter auf physiologische und neurologische Forschungen. Den Nobelpreis erhielt er für 1991 gemeinsam mit Bert Sakmann für Entdeckungen zur Funktion einzelner zellulärer Ionenkanäle. (APA)