"3"-CEO Berthold Thoma

standard / Mathias Cremer
"Nicht umsonst weisen Diskontanbieter ihre Umsätze nicht aus. Wenn man sehen würde, was hinter diesen "Sim-only"-Angeboten steht, wäre es extrem ernüchternd. Ich weiß nicht, inwieweit das langfristig betriebswirtschaftlich zielführend sein soll", sagt "3"-Chef Berthold Thoma im Interview mit Zsolt Wilhelm.

WebStandard: Nachdem die EU das Roaminggebühr-Limit von 50 Cent bekannt gegeben hat, äußerten Sie sich gegenüber dem STANDARD unzufrieden über diese Vorgabe und die Tatsache, dass Daten-Roaming nicht in die Regulierung mit einbezogen wird. Welche Maßgabe hielten Sie für angebracht?

Berthold Thoma: Die 50 Cent sind immer noch zu hoch. Wir haben in Europa nicht ohne Grund Regulierungsbehörden, die in jedem Land die Terminierungsentgelte bestimmen. Das sind jene Kosten, die ein Betreiber für die Zustellung eines Gespräches in seinem Netz verlangen darf. Diese sind in jedem Land zwar unterschiedlich, aber im Durchschnitt etwa 15 Cent. Wenn man jetzt sagt, okay, für die Verbindung ins Ausland gibt’s noch ein paar Cent drauf - in Europa gibt es kein Land (Anm.: aus Sicht der Betreiber), das nicht für ein paar Cent zu erreichen ist auf dem sogenannten "Long Haul" und für das Handling durch die Clearing-Häuser, welche die Abrechnung zwischen den Operatoren machen, muss auch noch mal etwas aufgeschlagen werden – dann wären 50 Prozent Aufschlag durchaus gerechtfertigt, vielleicht auch 100 Prozent. Aber auf keinen Fall einen Aufschlag von 300, 400 Prozent, wie dies bei 50 Cent jetzt immer noch sind. Da hat, würde ich sagen, immer noch die Lobby der großen Mobilfunkkonzerne obsiegt, dass es noch 50 Cent sind und nicht weniger. Wir sind ganz auf der Schiene der EU und glauben daran, dass hier überregional reguliert werden muss, nur wurde dies bislang zu wenig getan. Die ideale Größe wäre gewesen, sich an die Terminierungsentgelte anzulehnen.

WebStandard: Also maximal 100 Prozent Aufschlag.

Berthold Thoma: Ja. Was für uns als Multimedia- und mobiles Breitband-Unternehmen noch schlimmer ist, ist die Tatsache, dass man Daten-Tarife komplett außen vor gelassen hat. Dort ist es noch viel dramatischer als bei der Sprache. Ich nehme hier nur kurz Salzburg/Freilassing als Extrembeispiel her. Eine Stadt, der Kunde hat jenseits der Grenze einen Megabyte-Preis von zwei, drei Cent und wenn er, auch unbewusst, auf die andere Seite der Grenze gerät, zahlt er je nach Netzbetreiber auf einmal acht oder zehn Euro pro Megabyte.

WebStandard: Wären 100 Prozent Aufschlag auch bei Daten-Roaming realistisch?

Berthold Thoma: Regulierung gibt es in dem Bereich ja nicht, aber ich glaube da sollte man sich am "Retail-Preis" im jeweiligen Land anlehnen. Wenn in Deutschland ein Netzbetreiber 500 Megabyte für 40 Euro vermarktet, kann es nicht sein, dass er uns diese 500 Megabyte für 5000 Euro verkauft. Das ist völlig ungerechtfertigt. Ich würde es sogar als Wucher bezeichnen.

WebStandard: Kann man als einzelner Betreiber in der EU etwas ändern?

Berthold Thoma: Es gibt die Aussage, dass man sich dem Thema als nächstes Annehmen wird. Ich habe aber gehört, dass dies durchaus noch ein oder zwei Jahre dauern könnte. Um einen Boom im Bereich des mobilen Breitbands auszulösen, wäre es nur Hilfreich, möglichst schnell einzugreifen. Wenn wir in Europa wirklich eine digitale Gesellschaft schaffen wollen, dann gilt es dem Kunden die Angst (vor Roaming) zu nehmen. Gerade wenn demnächst die ersten Laptops mit eingebauten Datenkarten kommen, darf es nicht sein, dass man unterwegs davor Angst haben muss durch einen automatischen Verbindungsaufbau, wie durch ein Update, unerwartet Daten-Roaming zu generieren.

WebStandard: Zurzeit generieren manche Konzerne bis zu zwei Drittel ihrer Gewinne aus Roaming-Gebühren. Welche Auswirkungen auf die Branche zöge es nach sich, würde die EU Ihren Forderungen tatsächlich nachkommen?

Berthold Thoma: Was auf jeden Fall nicht passieren wird, ist, dass darüber (über die Senkung der Roaming-Gebühren) die (lokalen) Tarife steigen werden. Da es der Wettbewerb und die Gesetzgebung gar nicht zulassen. Das heißt, dieses oft erzählte Ammenmärchen, wonach dann die lokalen Preise erhöht werden müssten, trifft schlicht nicht zu. Für die existierenden Kunden geht’s rechtlich nicht, da sonst jeder Kunde aus seiner Vertragsbindung gelöst würde. Ich glaube, davor wird sich jeder Netzbetreiber hüten. Und für neue Kunden die Preise zu erhöhen lässt auch der Wettbewerb nicht zu, denn "3" wird das in keinem Fall tun und wir würden uns über jeden Wettberber freuen, der seine Preise erhöht. Demnach müsste das Geld irgendwo eingespart werden. Gerade die größeren Unternehmen hätten durch die Skalierung Vorteile. Deshalb sind das (die Argumente gegen Roaming-Regulierung) in meinen Augen sehr fadenscheinige Ausreden. Natürlich müsste man sich dann mal am Kopf kratzen und sich überlegen, wie werde ich so effizient wie ein Kleiner. Am Ende nützt es dem Kunden.

WebStandard: Also T-Mobile müsste sich keine Sorgen machen, weiter gewinnbringend zu sein?

Berthold Thoma: Nein. Es gibt genügend Potential das auszugleichen.

WebStandard: Apropos Preise. Wir haben in Österreich ein dichtes Feld an Diskontanbietern. Zumindest bei Yesss hat sich gezeigt, dass man damit sehr viele (500.000) Kunden generieren kann – ob das jetzt gewinnbringend ist oder nicht, sei dahin gestellt.

Berthold Thoma: Richtig.

WebStandard: Wäre das für "3" eine Option seinen Marktanteil zu vergrößern?

Berthold Thoma: Für uns ist das Ziel, ein wirtschaftlich solides Unternehmen aufzubauen. Es bringt nichts, wenn ich viele Kunden gewinne, die mich am Ende nur etwas kosten oder eigentlich nur Scheinkunden sind. Nicht umsonst weisen Diskontanbieter ihre Umsätze nicht aus. Wenn man sehen würde, was hinter diesen "Sim-only"-Angeboten steht, wäre es extrem ernüchternd. Weil ein Angebot ohne Bindung heißt natürlich auch, man holt sich die volatilsten Kunden die es gibt. Die nehmen sich heute das 6,9 Cent und morgen das 5 Cent Angebot. Ich schaffe mir dadurch zwar viele, aber gleichzeitig auch extrem viele nicht aktive Kunden.

WebStandard: Sind Diskonter demnach nur Werbeposten? Bringen die gar nichts?

Berthold Thoma: Es bringt dann etwas, wenn ich mein Ziel dahingehend ausgelegt habe – z.B., wenn ich verkaufen möchte – die Kundenzahlen entsprechend hoch zu halten. Ich weiß nicht, inwieweit das langfristig betriebswirtschaftlich zielführend sein soll. Ich spreche es diesen Modellen ab.

WebStandard: Praktisch alle Betreiber sind sich einig, dass man langfristig nur überleben kann, wenn man eine gewisse Marktgröße hat. "3" liegt bei 5 Prozent. Wie viel Marktanteil brauchen Sie, um bestehen zu können?

Berthold Thoma: Man braucht auf lange Sicht ein Unternehmen, das einen positiven Cash-Flow generieren kann.

WebStandard: Ist das bei "3" der Fall?

Berthold Thoma: Nein, noch lange nicht. Wir werden bis zum ersten Quartal nächsten Jahres noch mal fast 300 Millionen in das österreichische Netz investieren. Basierend auch darauf, dass wir die ehemaligen Telering-Standorte gekauft haben, die gerade umgerüstet werden, sodass wir bereits Ende des Jahres 90 Prozent der Österreicher mit HSDPA versorgen können. Diese Investitionen allein schließen einen positiven Cash-Flow aus. Der erste Schritt für uns war, im vergangenen Jahr 2006 ein positives EBITDA zu erreichen.

WebStandard: Und, geschafft?

Berthold Thoma: Da muss ich Sie noch auf eine Woche vertrösten. (lacht) Aber ich würde sagen, wir werden da keine schlechten Nachrichten verkünden.

WebStandard: Danke für den Hinweis. 300 Millionen Euro an Investitionen sind im Vergleich zu einer wesentlich größeren One beispielsweise sehr viel. Wie lange wird der Mutterkonzern Hutchison 3G das noch mit ansehen. Gibt es eine Vorgabe?

Berthold Thoma: Es gibt keine zeitlichen Vorgaben. Es geht im Endeffekt darum, Meilensteine bezüglich der Rentabilität zu erreichen. Es obliegt uns die Strategie und die Investitionssumme vorzuschlagen. Unser Shareholder hat es als richtig angesehen, die Marktführerschaft bei UMTS und Innovation weiter derart zu unterstützen und auszubauen. Es wird immer ersichtlicher, dass es für neue Kunden keinen Sinn mehr macht, sich die nächsten zwei Jahre nur noch an GSM zu binden.

WebStandard: Kann man mit den bald startenden Web-Diensten der X-Series einen drastischen Sprung nach vorne machen?

Berthold Thoma: Nicht unmittelbar. Die X-Series spricht zunächst die Innovatoren an. Die Masse werden wir erst in zwei, drei Jahren erreichen. Wir setzen auch darauf davon zu profitieren, dass der jetzige Boom um diese Dienste (wie Skype, Blogs, etc.) aus dem Internet dann auf die mobilen Endgeräte übertragen wird.

WebStandard: Zurzeit setzen Sie sehr stark auf Mobile-TV, dass Sie per IP-Stream an die Kunden senden. DVB-H (Digitaler Videorundfunk für Handgeräte) ist bei den Netzbetreibern auf Anklang gestoßen. Was müsste rein rechtlich und regulatorisch passieren, damit DVB-H sich in Österreich durchsetzen kann?

Berthold Thoma: Als erstes müssten sich alle Beteiligten auf ein Modell einigen, bei dem jeder Beteiligte seine Daseinsberechtigung hat und seine Margen erzielen kann. Im Moment haben wir den ORF als Programmanbieter, der nicht einmal eine Lizenz hat, um Handy-Fernsehen zu betreiben. Das darf er nach dem ORF-Gesetz eigentlich nicht. Schon mal gar nicht mit Gebühren-finanzierten Mitteln. Die müssen sich erst einmal klar darüber werden wie sie das handhaben wollen. Dann haben wir den ORS, der als Infrastrukturanbieter ein Modell sicherstellen muss, nachdem sich die notwendigen Investitionen für ihn sich auch lohnen. Das heißt, wer wird diese Kanäle nutzen? Gibt es noch andere Programmanbieter als den ORF? Oder müssen sie ein zweites DVB-T-Desaster befürchten? Denn wir haben heute einen zweiten DVB-T-Multiplexer und keiner will ihn nutzen, da der ORS so teuer und ineffizient ist, dass keiner bereit ist so viel Geld zu bezahlen.

WebStandard: Kann dies auch daran liegen, dass der ORS zu 60 Prozent dem ORF gehört und er vielleicht auch absichtlich derart den Mitbewerb beschneidet?

Berthold Thoma: Das möchte ich jetzt nicht in den Raum stellen, aber es ist offensichtlich, dass der zweite Multiplexer vom ORS zu einem Preis angeboten werden kann, dass es keinen interessiert. Und das müsste einem schon einmal zu Denken geben. Das gleiche kann bei DVB-H auch der Fall sein. Hier müsste man sich einen Preis überlegen, zudem das ganze auch vermarktbar ist. Und müssen auch die Mobilfunkbetreiber darüber entscheiden, entsprechende (teurere) Endgeräte anzubieten. Wir tun das zwar bereits, haben die DVB-H-Funktion aber noch Software-seitig abgestellt, bis die Situation geklärt ist und für beide Seiten ein Win-Win-Verhältnis besteht.

WebStandard: Für wann steht diese Entscheidung aus? Was denken Sie?

Berthold Thoma: Also ich bin froh, dass es Alternativen gibt. IP-Stream bietet mit H.264-Kodierung die gleiche Qualität. 2008 werden wir die nächste Evolutionsstufe einführen –MBMS. Das hat den Vorteil, dass wenn einer innerhalb eines Netzes schon z.B. ORF schaut und ein Zweiter dann auch einschaltet, ihm dann nicht ein eigener Stream zugeteilt wird, sondern auf den gleichen draufgelegt wird. Und damit habe ich quasi ein de facto-Broadcast.

WebStandard: Ist DVB-H dann nicht eine Totgeburt, wenn man sowieso über so eine Technologie verfügt?

Berthold Thoma: DVB-H ist meiner Ansicht nach, weil es unter anderem nicht so viele Sender braucht, die ökonomischere, effizientere Variante. Nur irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem Entscheidungen getroffen werden müssen. Und wenn Entscheidungen getroffen worden sind, sich von DVB-H abzuwenden, dann ist es tot.

WebStandard: Ende März, Anfang April soll über den Verkauf von One entschieden werden. Im Herbst haben Sie mir noch gesagt, Sie seien nicht interessiert. Sind Sie das immer noch nicht?

Berthold Thoma: Also, auf keinen Fall zu dem Preis, der in der Öffentlichkeit kommuniziert wird. Ein stabiles Telekom-Unternehmen wird auf dem Weltmarkt üblicherweise mit dem fünffachen EBIDTA bewertet und auch gehandelt. Warum sollte jemand in einem Markt wie Österreich, der einer der härtesten in Europa, wenn nicht gar auf der Welt ist, das Doppelte dieses Benchmarks bezahlen? Das schaue ich mir an.

WebStandard: Sie glauben nicht, dass irgendein Internationaler zuschlagen wird?

Berthold Thoma: Wenn er einen Abschreibungsposten braucht, vielleicht.

(Interview: Zsolt Wilhelm)