Finanzminister Molterer sieht in der Erbschaftssteuer eine "wesentliche Hürde bei Betriebsübergaben".

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Wien – Eine neue Initiative in Sachen Klimaschutz kündigte Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) im STANDARD-Interview an. Er will "am besten noch in diesem Jahr" mit den Ländern eine Vereinbarung treffen, damit in Hinkunft die Mittel der Wohnbauförderung nur noch zur Erreichung der Kioto-Ziele eingesetzt werden.

Molterer sagte: "Derzeit werden die rund zweieinhalb Milliarden Euro von den Ländern ja für alles Mögliche verwendet." Teilweise auch für Zwecke, die nicht einmal mit dem Wohnbau zu tun haben, wie Experten schon seit Jahren kritisieren.

Gerhard Lehner, Generalbevollmächtigter der Bundesländer in den Finanzausgleichsverhandlungen, warnte davor, wegen des Klimaschutzes allzu leichtfertig Fördergelder für den Wohnungsneubau zu kürzen. "Die neuesten Prognosen über das Bevölkerungswachstum zeigen, dass wir jährlich um immerhin 30.000 bis 40.000 Leute mehr werden", sagte er dem STANDARD. "Das ist eine mittlere Stadt."

Werbeabgabe wird abgeschafft

Molterer verteidigte im Interview erneut das Auslaufen der Erbschaftssteuer und versprach die Abschaffung der Werbeabgabe mit einem Aufkommensvolumen von 100 Millionen Euro. Die Finanzmarktaufsicht soll von ihrer Konzeption her so bleiben, wie sie ist, reagierte Molterer auf die Diskussion. Die SPÖ und Teile der ÖVP wollen die Bankenaufsicht in die Nationalbank transferieren.

SPÖ-Klubchef Josef Cap widersprach dem Vorwurf, Kanzler Alfred Gusenbauer sei bei der Erbschaftssteuer und anderen Themen umgefallen. Dies sei Teil einer "Kompromisskultur". Jahrelang sei die große Koalition für Stillstand kritisiert worden, nun suche man den Konsens im Interesse des Landes. (red)

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Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer will nach der Erbschaftssteuer die Werbe-abgabe kippen. Die Wohnbauförderung soll in den Klimaschutz fließen, sagte er zu Michael Bachner und Leo Szemeliker.

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STANDARD: Mit dem Auslaufen der Erbschaftssteuer wird Österreich absolutes Schlusslicht in der Vermögensbesteuerung. Ist es klug, die Steuerlast dominant auf Arbeit und Konsum zu legen und Vermögen de facto steuerfrei zu stellen?

Molterer: Die Abschaffung der Vermögenssteuer lag seinerzeit in der Verantwortung von Ferdinand Lacina, und der ist ein gestandener Sozialdemokrat. Und für die Abschaffung gab es auch gute Argumente. Ich wusste nicht, dass das von mir verwendete Zitat vom Kapital als scheuem Reh von Karl Marx stammt. Man lernt nie aus. Aber das war der wesentliche Grund.

STANDARD: Und Ihr Argument gegen die Erbschaftssteuer? Dieses Reh ist wohl nicht scheu.

Molterer: Hier wird Vermögen vererbt, das schon besteuert ist. Von der Verteilungswirkung trifft das den breitesten Mittelstand, der nun von der Entlastung profitiert. Die Erbschaftssteuer ist zudem eine wesentliche Hürde bei Betriebsübergaben. Daher war es auch nicht überraschend, dass wir nach dem Verfassungsgerichtshof-Urteil diese Position eingenommen haben. Die im Übrigen nicht ausschließlich von der ÖVP vertreten wird, wenn ich etwa mit großem Interesse lese, dass auch ein Hannes Androsch für die Abschaffung eintritt.

STANDARD: Androsch gehört zu den Reichen, logisch ist er für die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Aber wenn wir schon dabei sind, welche Steuern fallen Ihnen sonst noch ein, die man abschaffen könnte?

Molterer: Da bin ich nicht sehr kreativ, denn das würde Begehrlichkeiten wecken. Eine einzige Steuer, die ich nenne, weil sie gerade in Diskussion ist, ist die Werbeabgabe. Alle anderen Dinge werden wir dann diskutieren, wenn die Steuerreform zur Entscheidung ansteht.

STANDARD: Bodenwertabgabe, fünf Millionen Euro, Werbeabgabe 100 Millionen, Alkoholsteuer 120 Millionen. Sie sagen, die Erbschaftssteuer mit ihren 140 Millionen spielt sich im Promillebereich ab. Warum nicht auch die Biersteuer kippen? Wäre sehr populär.

Molterer: Nochmals, meine Kreativität hat da enge Grenzen. Wir müssen uns die Entlastung von der Verteilungswirkung her überlegen, und vor allem von den beabsichtigten Effekten auf Kaufkraft und Arbeit. Bei der letzten Steuerreform hat es genau dieselbe Diskussion gegeben. Wir haben aber gesagt, wir machen lieber zwei große Dinge anstatt 27 kleinere. Die Körperschaftssteuersenkung und die Tarifsenkung. Klotzen statt kleckern.

STANDARD: Sie verraten uns die nächsten Großentlastungen?

Molterer: Selbstverständlich nicht. Aber Arbeitsplätze, Kaufkraft und wettbewerbsfähiger Standort sind zentrale Ziele. Wie bei der Senkung der KöSt auf 25 Prozent. Das hat sich als völlig richtig herausgestellt. Diese Strategie müssen wir uns auch für die nächste Etappe zurechtlegen.

STANDARD: Das Aufkommen der KöSt steigt und steigt, obwohl der Steuersatz gesenkt wurde.

Molterer: Sehen Sie, Steuersenkung führt nicht selten zu höheren Steuereinnahmen. Etwas, was marktwirtschaftlich orientierte Ökonomen immer gesagt haben, aber von anderen immer heftig bestritten wurde.

STANDARD: Und da hilft Ihnen nicht zufällig auch das Glück des günstigen Zeitpunktes genau in den Konjunkturaufschwung hinein?

Molterer: Ja, selbstverständlich, das ist so. Aber ich sage Ihnen ganz offen, eine gute Konjunktur und eine gute Einnahmensituation ist für mich als Finanzminister die unangenehmere Situation, weil da kommen natürlich alle und fragen, wo ist mein Anteil.

STANDARD: Sie haben Rekordsteuereinnahmen, also Geld auf der hohen Kante und predigen einen strikten Sparkurs. Man stellt sich schon die Frage, weshalb. Tagtäglich wird vorgerechnet, wie viel Geld an den Unis, in der Pflege, in der Kinderbetreuung fehlt.

Molterer: Ich bin kein Keynesianer, aber ich habe in meinem Keynes auch Kapitel zwei gelesen. Dort steht, in guten Zeiten muss man Budgets konsolidieren. Vor allem sind die Ausgaben, die Sie ansprechen, keine zeitlich limitierten Ausgaben, die ich nur in der Hochkonjunktur tätige. Sondern das sind strukturell wirksame Ausgaben, die nie wieder streichbar sind. In der Hochkonjunktur muss man besonders restriktiv sein, weil da die Kreativität besonders groß ist.

STANDARD: Nebenbei haben Sie auch noch die Budgetreserve von einer Milliarde. Verzinst sich das Geld wenigstens gut?

Molterer: Es kommt darauf an, was man damit macht.

STANDARD: Haben Sie das Geld bei der Bawag angelegt?

Molterer: Wir haben dafür eine hervorragend funktionierende Bundesfinanzierungsagentur und würden das als Service auch gerne den anderen Gebietskörperschaften anbieten.

STANDARD: Und wenn alles wunschgemäß läuft und brav gespart wurde, wollen Sie 2010 um zwei Milliarden entlasten. Wäre es nicht mindestens so lohnend, das Geld in den Klimaschutz oder in die Forschung zu investieren?

Molterer: Ich bin Realist, Steuerentlastungen beeinflussen das Wahlverhalten relativ wenig. Aber das ist kein Entweder-oder. Wir werden nächste Woche die Klimastrategie beschließen, und da ist der Fonds von zentraler Zukunftsbedeutung. Aber das ist kein Ersatz für Entlastung. Der Vorwurf würde zu Recht kommen, dass die kalte Progression alles wegfrisst. Wir müssen in regelmäßigen Abständen entlasten, weil sonst automatisch die Steuer- und Abgabenquote steigt. Das kann nicht das Ziel sein.

STANDARD: Was schwebt Ihnen beim Klimaschutz Neues vor?

Molterer: Es darf keine neuen Steuern geben, das wäre das völlig falsche Signal. Die Anhebung der Mineralölsteuer ist richtig, weil es gibt keine verbrauchsabhängigere Steuer. Für diskutierenswert halte ich auch Änderungen bei der Normverbrauchsabgabe Richtung stärkerer CO2-Komponente. Eine Pkw-Maut ist für mich kein Thema.

STANDARD: Und sonst? Energiesparlampen, weniger Fliegen, nur noch Nassrasieren?

Molterer: Ich will rasch eine Vereinbarung mit den Ländern, dass die Wohnbauförderung zu 100 Prozent für klimarelevante Maßnahmen eingesetzt wird. Derzeit werden die rund zweieinhalb Milliarden Euro von den Ländern ja für alles Mögliche verwendet.

STANDARD: Rasch heißt?

Molterer: So bald wie möglich, am besten noch dieses Jahr.

STANDARD: Wie geht es mit der Finanzmarktaufsicht weiter? Die SPÖ und Teile der ÖVP wollen die Bankenaufsicht zurück in die Notenbank stecken.

MolterMolterer: Die Aufsicht ist von der Struktur her gut aufgestellt. Die Grundkonstruktion soll bleiben, eine Allfinanzaufsicht ist ja auch gescheit. Die Schweiz kopiert uns da gerade. Was ansteht, ist eine Optimierung der Schnittstellen.

STANDARD: Das klingt nach dem nächsten Konflikt. Wann lassen Sie der SPÖ einen Erfolg?

Molterer: Wählen mit 16 ist ein klassischer SPÖ-Erfolg. Das wäre ohne diese Koalition so nicht beschlossen worden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.3.2007)