Viel Dokumentationsmaterial, Zeitungs- und Filmausschnitte und ein Rahmenprogramm mit Vorträgen rundet die Ausstellung ab.

Foto: Ellie Wyckoff, © Kunsthalle Wien, 2007
In der damaligen Schau signalisierten sie Verweigerung gegen Versuche, die Rote Armee Fraktion zu ikonisieren.


Wien – Ein Foto, das nur noch aus Kontrasten besteht, das sein Bild nur noch aus dem Zusammenspiel schwarzer und weißer Flächen erzeugt: "Brigitte Kuhlmann, gestorben am 4. 7. 1976" steht darunter. Das 29-jährige Mitglied der "Revolutionären Zellen" war gemeinsam mit Wilfried Böse und fünf Gesinnungsgenossen der palästinensischen Terrorgruppe Waddi Hadad für die Entführung einer Air-France-Maschine am 27. Juni 1976 verantwortlich. Sieben Tage später starben bei der Befreiung 41 Menschen – Täter, Geiseln und Soldaten. (-->Operation Entebbe)

Massenmediale Reproduktionstechniken – etwa Vergrößerung und Kopieren von schlechtem Ausgangsmaterial – haben Kuhlmanns Bild zu einer visuellen Ikone werden lassen. Es fällt nicht schwer, darin die Ästhetik von Warhols schematisierten Pop-Ikonen zu erkennen. Auch Hans-Peter Feldmann fällt das auratisierte Bild Che Guevaras ein: "Keine seiner heutigen Bewunderer denkt heute noch daran, dass er eigentlich auch ein Massenmörder war", so der 1941 geborene Künstler zum STANDARD.

Opfer und Täter

90 Abbildungen von Menschen, die im Zuge des Linksradikalismus ums Leben gekommen sind, hat der Düsseldorfer Künstler, der sich 1968 von der Malerei lossagte und fotografischen Bildern zuwandte, zusammengestellt. Er beginnt bei Benno Ohnesorg, der 1967 bei der Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien erschossen wurde, und endet 1993 beim Polizisten Michael Newrzella, der beim Versuch ein RAF-Mitglied zu verhaften, umkam. – Feldmann macht keinen Unterschied zwischen Tätern und Opfern: Er reiht sie streng chronologisch nach Todesdatum und druckt die aus dem ursprünglichen Medienzusammenhang gelösten Bilder auf gleich große, weiße Kartonbögen.

Kein Hochglanz, sondern die verpixelte, grobkörnige Ästhetik von Zeitungsfotos. Rahmenlos das Band aus Bildern, das sich über die vier Seiten der Halle zieht und beide Seiten des Terrors auf Augenhöhe präsentiert. "Weniger ist mehr. Es gibt hier nichts zu behübschen. Was zählt, sind die Fakten", sagt Feldmann.

Im Tod sind alle gleich, heißt es. Feldmanns Gleichbehandlung von Opfern und Tätern des linken Terrors wurde vielfach kritisiert, das Nebeneinander von Gesichtern der Mörder und der von ihnen Ermordeten als würdelos angesehen. Vorwürfe, die ungerechtfertigt sind, denn Feldmann verhindert so eine weitere Ikonisierung von Mitgliedern der Roten Armee Fraktion, die etwa beim täterbezogenen Stammheim-Zyklus Gerhard Richters von 1988 anklingt.

"Ich hätte auch ein Buch machen können, wo das Blut nur so herausträufelt." Feldmann hat nicht nur Bilder des Todes – etwa Andreas Baader in einer Blutlache – ausgewählt, sondern zeigt auch sonnigere Tage: Gudrun Ensslin mit Kinderwagen oder den Bankier Alfred Herrhausen, der mit generöser Geste vor der Weltkarte abgelichtet ist: ein Sinnbild für die Machtposition, die ihm später zum Verhängnis wurde.

Späte Pietà

Oder etwa den Sohn von Hanns Martin Schleyers Chauffeur, der Jahre später, wie eine zeitverzögerte Pietà, das blutdurchtränkte Hemd seines Vaters in Händen hält. Feldmann, der mit der Ausstellung das Thema für sich selbst abhandeln wollte, "um endlich zu verstehen", hat ein ruhiges Mausoleum geschaffen. Einen Ort, der mit Bildern der Medien Erinnerungen weckt und Durst, Wissenslücken zu schließen. Das muss man selber machen. "Die Arbeiten nehmen einem nicht die Verantwortung ab", so Ensslins Sohn Felix 2005 in einem Interview. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.3.2007)