Red: "Social Hide And Seek"

Foto: Universal

Bei seiner Stimme muss man an John Carter Cash denken, den Sohn des verstorbenen Country-Giganten Johnny Cash. John Carter war der Segen der Gastronomiebetreiber bei den Konzerten seines Vaters. Denn wenn der alte Cash eine Pause machte, die sein Spross füllen durfte, verfügte sich ein Gutteil des Publikums an die Bar, um schnell zu vergessen, was sie in den kurzen, der Höflichkeit geschuldeten Momenten vor der Saalflucht gehört und gesehen hatten - das Cash-Burli und sein Talent als Sohn. Mit Red - und um den geht es hier - hat das insofern zu tun, als dass ihm das nicht passiert wäre.

Der Franzose mit den steinernen Gesichtszügen verfügt nämlich über eine Stimme, wie man sie sich von einem Cash-Burli erwarten würde. Sie klingt, als wäre sie eine Inkarnation des von Krankheit, Alter und einem ohne Kompromisse geführten Leben gezeichneten Organs des alten Cash. Besser: Red singt, als würde er selbst ein Dasein führen, das sich in seine Stimme eingeschrieben hat: hart und beseelt, düster und lebendig, einfühlsam und furchterregend. Beste Voraussetzungen also, um ernst genommen zu werden. Etwas, das für einen Franzosen im Rock'n'Roll nicht selbstverständlich ist. Red, der Rothaarige, der eigentlich Olivier Lamblin heißt, gründete seine Band vor elf Jahren und lebt mit ihr seitdem seine Obsessionen für große Songwriter wie - was Wunder! - Bob Dylan oder Leonard Cohen aus. Das Album Songs From A Room des Letztgenannten coverte er 2001 gar gänzlich. Ein großer Wurf gelang ihm mit dem Album Nothin' To Celbrate aus 2005, auf dem seine Verwandtschaft zu Cash durch eine Country-Affinität ebenso unterstrichen wurde wie durch Gastauftritte von Bonnie "Prince" Billy, einem weiteren Seelenverwandten von Red.

Trotz all dieser Referenzen war Nothin' To Celebrate ein durch und durch eigenständiges Werk, das mit Songs wie My War Is Starting Now, Putrefying Corp Song oder In My Secret Life mit einer Reihe von "Hits" aufwartete - die natürlich kaum jemand bemerkte. Trotzdem war es eines der besten Alben seines Jahrgangs!

Nun legt Red nach und unterstreicht seine Originalität weiter: Social Hide And Seek heißt das unsinnigerweise im Jazz-Repertoire von Universal Music erscheinende neue Album. Es wirkt ungleich grimmiger als sein Vorgänger, zumal es die Country-Seite ausblendet und sich stattdessen im Rock einbaut. Doch die ökonomisch gesetzten Riffs des Multiinstrumentalisten besitzen in all ihrer Härte immer auch eine gewisse Wärme, die etwa den stellenweise auftauchenden Feedbacklärm sanft einbettet und sogar versteckt funky erscheint. Etwas, das durch den Einsatz einer Orgel ebenso unterstrichen wird wie durch elektronisches Gefiepse, wie es in Black Dog & Me auftaucht. Einem Song, der auch aus der Proto-Punk-Ära von John Cale stammen könnte. Apropos: Als "Hidden Track" taucht nach dem letzten, verehrungswürdig Go Fuck Yourself Religion benannten Stück eine karge Interpretation von Cales Dying On The Vine auf: Groß!

Am besten ist Red jedoch, wenn er mit seiner vierköpfigen Band - unterstützt von Gästen wie etwa dem in Wien wohnenden Musiker Noël Akchote - in getriebenem Midtempo arbeitet und seine Stimme dabei sanft moduliert: So entstehen erhabene Songs wie In Your Bed oder das geisterhaft-dylaneske Last Song . Und in I'm Not A Yoyo belegt Red sogar, dass der technoide Rockabilly, mit dem einst die New Yorker Suicide die französischen Charts belegten, bis heute nachwirkt. Nicht nur deshalb: "Better Red than dead!" (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.3.2007)