Wien – In einer Bilanz über das Tun und Lassen des Staatsoperndirektors wird man dereinst anmerken können, dass der Herr am Ring nicht nur seinem Belcanto singenden Steckenpferd gefrönt (und die dazugehörigen Zugpferde gehätschelt), sondern auch – selten genug! – seine Fühler in Richtung Moderne ausgestreckt hat. In diesem Zusammenhang wird wohl auch Schönbergs Moses und Aron zu nennen sein, das einst musikalisch ideal, szenisch gangbar realisiert wurde.

Ioan Holender mag man auch anrechnen, hier den Kunstgewinn über das Kalkül des vollen Hauses gestellt zu haben – mit dem Nebeneffekt, dass in einem ohnehin raren Fall verfügbarer Restkarten Jugendliche günstig zu guten Plätzen kommen können, Menschen also, die zuweilen noch unmittelbarer reagieren als manch altgedienter Operngeher – jedenfalls verständiger als jenes Paar, das sich nach zehn Minuten von seinen Parterresitzen wegkämpfte ...

Warum kann man eigentlich nicht immer eine Hand voll Karten, unabhängig vom Verkaufserfolg, für neugierige junge Leute zur Verfügung stellen? Zwar war einiges im Staatsopernorchester zunächst gegenüber der phänomenalen Premierenserie deutlich aus der Fasson geraten, doch vermochte Daniele Gatti wieder die glühende Expressivität der Partitur freizulegen, eine aufregende Verbindung von Gespanntheit mit Sinnlichkeit zu evozieren und dabei die Musik-Tücken zumeist in Schach zu halten.

Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass auch Philharmoniker Proben benötigen (würden), um so wunderbar zu sein, wie sie sein können – hier wäre er! Genialisch gelang aber immer noch einiges, wenn etwa kammermusikalische Solostimmen im Geflecht sinnhaft sprechend moduliert wurden oder der groteske Tanz ums Goldene Kalb abgründige Gestalt annahm.

Und auch das vokale Chorkollektiv klang kraftvoll und ließ die Dringlichkeit politischen Handelns durch die Protagonisten einigermaßen deutlich zutage treten. Zudem: Der sonore, wortdeutliche Franz Grundheber stellte den Moses mit beängstigender Verzweiflung dar, Thomas Moser den Aron mit verführerischer Leuchtkraft. Drastisch Sinnsuche wie Machtkampf.

Die Macht der Bilder ist hier bei Götzendienst und Bilderverbot ohnehin ein Kapitel für sich, umso mehr in den hier gezeigten eitlen Bildern auf TV-Schirmen, die auf frappierende Weise daran erinnern, in welchem Zusammenhang ganz ähnliche, unlängst auch vom ORF ausgestrahlte Dessous derzeit – wenig reflektiert – auf derselben Bühne zu betrachten sind. (Daniel Ender /DER STANDARD, Printausgabe, 14.03.2007)