GNOME 2.18

Kaum ein anderes Softwareprojekt hält sich so sehr an seinen fixen Zeitplan: Zwei Mal im Jahr kommt eine neue GNOME-Version, einmal Mitte März, einmal Mitte September. Diesen Rhythmus hält der Unix-Desktop nun bereits seit einigen Jahren ohne jegliche Verzögerung durch, auch dieses mal wird dabei wieder keine Ausnahme gemacht.

Release

GNOME 2.18 wurde nun fertiggestellt, darin enthalten wieder einige neue Module, zahlreiche Bugfixes, neue Features und Optimierungen. Auf den folgenden Seiten soll ein Blick auf die wichtigsten Neuigkeiten seit der letzten stabilen Release geworfen werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Seahorse

Den ersten Neuzugang in den GNOME-Desktop stellt Seahorse dar: Die Software, die rechtzeitig zur Integration in die Desktop-Suite seine Version 1.0 feiern durfte, kümmert sich um Verschlüsselungsbelange aller Art.

Möglichkeiten

Ursprünglich als simples GnuPG/PGP-Frontend entstanden, geht die Funktionalität von Seahorse mittlerweile weit darüber hinaus. So lassen sich damit nun auch SSH-Keys erstellen und verwalten, auch das Management der Einträge im GNOME Keyring kann hier vorgenommen werden. Entsprechend soll auch der bisher dafür zuständige GNOME Keyring Manager im nächsten Release-Zyklus aus dem Desktop entfernt werden, um eine unnötige Dopplung der gleichen Funktionalität zu vermeiden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Integriert

Warum Seahorse ein unumschränktes "Ja" vom für die Entscheidung zuständigen Release Team bekommen hat, zeigt sich, wenn man die restlichen Features betrachtet: Die Software integrierte sich nahtlos in andere Komponenten des Desktops.

Komponenten

So kann Seahorse neben der Entschlüsselung von Mails im Evolution auch Text-Files im GEdit und Dateien im File Manager Nautilus ver-/entschlüsseln. Zusätzlich gibt es ein eigenes Panel-Applet für den Umgang mit verschlüsselten Nachrichten per Zwischenablage und ein Plugin für den Webbrowser Epiphany.

Cache

Auf Wunsch lassen sich die Passwörter auch im GNOME Keyring ablegen oder für den Rest der Session in einem Cache ablegen, um nicht stetig neu eingetippt werden zu müssen. Zu den weiteren Fähigkeiten von Seahorse gehört die Möglichkeit öffentliche Schlüssel per Avahi / OpenPGP mit anderen zu teilen. Außerdem stellt die Software mit der libcryptui ein eigene Library für Drittanwendungen zur Verfügung, damit diese auf ein einheitliches Interface zur Verschlüsselung zurückgreifen können.

Screenshot: Andreas Proschofsky

NetworkManager, doch nicht

Eigentlich sollte an dieser Stelle die zweite "große" neue Komponente für GNOME 2.18 stehen, praktisch in letzter Sekunde hat man sich aber anders entschieden: Da die EntwicklerInnen des NetworkManagers - beziehungsweise des zur Aufnahme stehenden grafischen Interfaces dafür - bis zuletzt keine einzige Release abgeliefert haben - ist die eigentlich schon durchgewunkene Software wieder zurückgerufen worden.

Qualitätsfragen

Einerseits ein Zeichen dafür, wie wichtig man die Erfüllung gewisser grundlegender Kriterien für die GNOME-Release nimmt, andererseits natürlich auch schade, da solch eine Aufnahme meist auch eine bessere Integration mit anderen Komponenten des Desktops befördert. Bleibt zu hoffen, dass es mit GNOME 2.20 dann wirklich klappt. Für die meisten BenutzerInnen wird sich durch diese Entscheidung aber ohnehin nur wenig ändern: Der NetworkManager ist längst - zumindest optionaler - Teil der großen Distributionen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Developer

Tradtionell besteht der GNOME-Desktop aus drei großen Programmpaketen: "Platform" enthält die grundlegenden Libraries, "Desktop" die eigentlichen Anwendungen und "Bindings" die Anbindungen für andere Sprachen als C. Seit GNOME 2.14 gibt es zusätzlich einen "Administrations"-Teil, mit der neuen Release kommt nun ein weitere Bestandteil hinzu.

Werkzeuge

Die Developer-Tools-Suite soll es EntwicklerInnen leichter machen, die geeigneten Werkzeuge zur GNOME-Entwicklung zu finden. Für den Start sind darin der Interface-Builder glade3 sowie der Dokumentationsbrowser devhelp enthalten. In künftigen GNOME-Versionen sollen hier aber noch weitere Programme hinzukommen, zur Diskussion gestanden sind dabei bereits die Entwicklungsumgebungen Anjuta und MonoDevelop.

Screenshot: Andreas Proschofsky

GNOME Power Manager

Zu den Anwendungen mit den meisten Neuerungen gehört fraglos der GNOME Power-Manager. Neben dem eigentlichen Power-Management unterstützt die Software nun auch das sogenannte "CPU Frequency Scaling". Bei Laptops wird im Batteriebetrieb die Prozessorgeschwindigkeit automatisch gedrosselte, spezielle Programme wie cpufreqd - die bisher auf den meisten Distributionen zum Einsatz kommen - sind nicht mehr notwendig.

Sicherheit

Der Power Manager zeigt sich auch um die Sicherheit seiner BenutzerInnen bemüht: Findet die Software einen der in den letzten Monaten zahlreich zurückgerufenen Sony-Akkus, fordert sie die UserInnen zum sofortigen Umtausch auf.

Applets

Zusätzlich liefert der GNOME Power Manager nun zwei kleine Applets mit: Mittels Brightness lässt sich die Helligkeit des Displays regulieren, das Inhibit-Applet unterbindet auf Knopfdruck das Eintreten in den Schlafmodus gänzlich.

Auslagerung

Jenseits des oben Genannten wurden an dem Programm auch einige Optimierungen vorgenommen. So verbraucht die Software nun nur mehr knapp halb so viel Speicher wie zuvor, um dies zu erreichen wurde die grafische Power History in ein eigenes Programm ausgelagert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Control Center

In die Kategorie "Irgendwie-schon-aber-doch-nicht-so-ganz"-Neuzugang gehört das bereits von SUSE her bekannte Control Center: Denn mit GNOME 2.18 hält zwar ein neues zentrales Preferences-Interface Einzug in die Software, dieses ist aber per Default deaktiviert.

Kategorien

Dabei bietet die neue Lösung einige Vorteile gegenüber den altbekannten Menübäumen: Die Programm sind fein säuberlich in Kategorien eingeteilt, die sich per Sidebar direkt anwählen lassen. In diesem findet sich zusätzlich ein Suchfenster, das noch während des Tippens die Auswahl einschränkt, durchsucht werden dabei sowohl Name als auch Beschreibung der einzelnen Tools.

Flott

Darüber hinaus gibt es noch den Schnellzugriff auf einige "Common Tasks" wie etwa das Hinzufügen eines Druckers oder auch das Ändern des Bildschirmhintergrunds.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Performance

Dass die neue Control-Center-Shell trotzdem noch deaktiviert ist, hat einen simplen Grund: Die EntwicklerInnen waren mit der momentanen Performance der Anwendung noch nicht zufrieden, vor allem die Verzögerungen beim Start der Anwendungen bereiten den EntwicklerInnen noch Kopfzerbrechen. Bis zur nächsten Release will man hier noch nachbessern.

Aktivieren

Wer das neue Interface trotzdem bereits ausprobieren will, kann dies über den Menüeditor Alacarte einfach bewerkstelligen. Einfach den Eintrag mit dem Namen "Control Center" aktivieren und dem System-Menü wird ein neuer Eintrag hinzugefügt. Wer will kann dann auch gleich die zwei Unterverzeichnisse "Administration" und "Preferences" deaktivieren, da sie ja durch das neue Interface ersetzt werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Look

Jede Menge Feinschliff hat einmal mehr der Look des GNOME-Desktops erfahren: So ist mit Glossy ein gänzlich neuer Stil hinzugekommen, zusätzlich ist wdas GNOME Icon Theme wieder um zahlreiche Icons im Tango-Stil erweitert worden.

Farbspielereien

Auch wurden die auf Barrierefreiheit bedachten High-Contrast-Icons weitgehend erneuert. Außerdem lassen sich die mitgelieferten grafischen Themes nun auf Wunsch mit eigenen Farben versehen.

Decorator

Wesentlich flexibler ist die Erstellung von Fensterrahmen geworden. Mit der Version 2 der Metacity-Themes lassen sich nicht nur mehr Buttons in der Titelzeile unterbringen, auch kann diese semi-transparent gestaltet werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Optimiert

Für alle Anwendungen gleichermaßen wichtig sind die zwischenzeitlich vorgenommenen Verbesserungen an den Basis-Technologien des Desktops: Zwar basiert GNOME 2.18 auf der gleichen Version des grafischen Toolkits GTK+ wie sein Vorgänger, dafür gab es unlängst eine neue Major-Release der 2D-Grafikbibliothek Cairo, die erhebliche Performance-Optimierungen mit sich bringt.

Pango

Dazu gehört etwa eine erhebliche Beschleunigung bei der Text-Ausgabe. Und wenn wir schon dabei sind: Die darauf aufsetzende Text-Rendering-Library Pango fügt dem nochmal kleinere Optimierungen an der eigenen Ausgabgeschwindigkeit hinzu. Zusätzlich ist mit Pango 1.16.x nun auch vertikales Text-Rendering möglich, ein Ergebnis eines Projekts im Rahmen des vergangenen Google Summer of Codes.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Tomboy

Mit einem ganzen Strauß an Neuerungen kann auch das Desktop-Wiki Tomboy aufwarten: So lassen sich besonders wichtige Nachrichten nun "festpinnen". Auf diese Weise bleiben sie immer in der Überblicksliste des Tomboy-Applets sichtbar, ansonsten sind ältere Notizen ja nur mehr über die Suchfunktion aufzuspüren. Die Anzahl der an dieser Stelle maximal angezeigten Beiträge lässt sich nun ebenso frei festlegen.

Bullets

Wer seine Notizen gerne sortiert, wird sich über die Unterstützung für Bullet-Listen freuen. Ebenfalls neu ist das Backlinks-Plugin, das Nachrichten aufspürt, die auf eine ausgewählte Message verweisen. Dazu kommen noch eine Bugzilla-Integration, neue Icons und ein vereinfachtes Such-Interface.

Screenshot: Andreas Proschofsky

GNOME Games

Mit einer Abstimmung haben die EntwicklerInnen der Spiele-Komponente des Desktops gleich am Anfang des Release-Zyklus herauszufinden versucht, welches Spiel am unbeliebtesten und entsprechend aus der Release entfernt werden soll. Als Ergebnis davon ist Ataxx nicht länger im GNOME enthalten.

Sudoku

Im Gegenzug hat man aber gleich zwei neue Spiele aufgenommen: Das 3D-Schach glChess und ein GNOME Sudoku verlocken künftig zu einem kurzen Spielchen zwischendurch. Doch auch bei den schon bestehenden Games gab es Neuerungen. So haben etwa Gnibbles, Iagno und Four-in-a-Row Multiplayer-Support per Internet spendiert bekommen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Evolution

Während die Mail/Groupware-Lösung Evolution im letzten Release-Zyklus einige zentrale neue Features spendiert bekommen hat, geht man es dieses mal etwas langsamer an, beziehungsweise hat man sich für einen anderen Fokus entschieden: Bei Evolution 2.10 stand vor allem die Themen Fehlerbereinigung und Optimierung im Vordergrund.

Reduktion

Daraus resultierend verbraucht die Anwendung nun an einigen Stellen spürbar weniger Speicher als zuvor. Besonders deutlich davon betroffen ist die Anbindung an Microsofts Exchange-Server, die mit der neuen Release erheblich ressourcenschonender und zuverlässiger zu Werke geht als bisher. Dies macht sich unter anderem beim Handling von öffentlichen Ordnern oder globalen Adresslisten bemerkbar.

Printing

Zusätzlich wurde das Druckinterface des Evolution auf die neue - wesentlich mächtigere - Print-Lösung von GTK+ 2.10 umgestellt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

System Monitor

Von SUSE in den GNOME System Monitor übernommen wurde ein neuer Sysinfo-Tab. Hier werden einige grundlegende Infos über das System präsentiert, etwa der zu Grunde liegende Kernel oder der eingesetzte Prozessor.

System

Neu im System Monitor ist auch die lsof-Anbindung. Über ein grafisches Interface lässt sich nach offenen Dateien suchen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Vermischtes I

Viele der restlichen Verbesserungen bewegen sich im Bereich des Feinschliffs, insofern hier noch einige Highlights im Schnelldurchlauf: Baobab, das Tool zur Anzeige der Verteilung des Festplattenplatzes bietet nun auf Wunsch auch eine übersichtliche Ringchart-Ansicht. Das Screenshot-Programm zeigt - wenn es direkt aus dem Menü gestartet wird - nun eine Reihe von Optionen für die Aufnahme an.

Upgrade

Das Bildbetrachtungstool Eye of GNOME wurde ebenfalls auf das neue Druck-Interface umgestellt und rotiert Bilder automatisch abhängig von ihren EXIF-Werten. Der Dokumentanzeiger Evince behält nun eine History der zuvor geöffneten Dateien und hat viele Verbesserungen am Präsentationsmodus erfahren

Screenshot: Andreas Proschofsky

Vermischtes II

Das Pack-Programm File Roller kann mit der neuen Version nun auch mit .ace, .cpio, .7zr und .jar-Archiven umgehen. Einige der GNOME-eigenen Systemadministrationstools haben ein überarbeitetes Interface spendiert bekommen, das Time-Tool kann nun auch einmalig die Zeit von einem NTP-Server beziehen.

Empty

Der File Manager Nautilus hat in der Trashcan-Ansicht nun einen eigenen "Empty-Trash"-Button, auch wurden im Kontextmenü neu Icons hinzugefügt. Zusätzlich gab es natürlich auch wieder zahlreiche Bugfixes. Der Webbrowser Epiphany wartet mit verbessertem Druck-Support und einem Interface für den AdBlock-Manager auf.

Buddy

Der für Fehlerberichte zuständige Bug Buddy wurde ebenso einmal mehr überarbeitet, so hat man versucht das Interface zu vereinfachen. Auch haben EntwicklerInnen nun die Möglichkeit zusätzlich relevante Daten mit einem Crash-Report mit zu senden, etwa die aktiven Plugins einer Anwendung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Fazit

Richtig große Sprünge macht der GNOME mit der neuen Release zwar nicht, dafür finden sich aber wieder viele sinnvolle Detailverbesserungen. Vor allem die diversen Performanceoptimierungen werden die meisten BenutzerInnen erfreuen.

Ausblick

Dass die Liste der Neuerungen dieses Mal etwas kürzer als bei den vorangegangenen Release-Zyklen ausgefallen ist, hat aber auch andere Gründe: So arbeiten derzeit einige der EntwicklerInnen an der Umarbeitung von Kernkomponenten des GNOMEs. Eine Aufgabe, die mehr Zeit als die üblichen sechs Monate, die ein Release-Zyklus bietet, in Anspruch nimmt. So sollen etwa der Dateisystems-Abstraktionslayer gnome-vfs, das Session Management gnome-session und das Konfigurationssystem gconf umgeschrieben werden. Auch ein neues Panel-Applet-System ist in Entwicklung. Die Kompatibilität mit bestehenden Anwendungen will man dabei aber nicht brechen, ein eventuelles GNOME 3 zeichnet sich zumindest aus diesem Blickwinkel also weiterhin nicht ab.

Spekulatives

Etwas längerfristiger sind auch andere Pläne für den GNOME: So drängen sich mit Tracker und Beagle zwei Indizierungstechnologien verstärkt auf, die auch die Basis für einen Desktop bilden könnten, der sich stärker nach Tags und Inhalt organisiert als nach hierarchischen Dateisystemstrukturen.

Download

Während zuvor genanntes noch Zukunftsmusik ist, steht der GNOME 2.18 ab sofort in Form des Source Codes zum Download bereit. Die neue Release wird wohl schon bald in die Entwicklungsrelease der meisten großen Distributionen wandern. Für alle, die den GNOME noch nicht kennen und nur mal hineinschnuppern möchten, bietet das Projekt ebenfalls eine Reihe von Optionen an. So gibt es neben einer LiveCD auch diverse Images für die Virtualisierungslösungen von VMWare, Parallels, Microsoft und QEMU. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Andreas Proschofsky