Burleske Ausstattungsrevue aus den 40er-Jahren: Lucille Ball zähmt Kätzchen in "Ziegfeld Follies" von Vincente Minnelli.

Foto: Filmmuseum
Wien - Ein Sportwagen mit offenem Verdeck rast durch die Nacht. Am Steuer ein Mann in Rage (Kirk Douglas), die Frau neben ihm (Cyd Charisse) panisch. Das Fahrzeug schlingert gefährlich - eine Zeit lang ist ungewiss, wie die Jagd hügelabwärts enden wird.

Die halsbrecherische Autofahrt steht am Ende von Vincente Minnellis Two Weeks in Another Town (1962), einem Melodram um einen einstigen Leinwandstar, der versucht, wieder in seinem Metier Fuß zu fassen. Nahaufnahmen der beiden Autoinsassen dominieren ihre visuelle Umsetzung. Die Gesichter spiegeln die Dramatik des Geschehens. Um sie herum setzen flackerndes Scheinwerferlicht und Nebelschwaden beunruhigende Akzente. Irgendwann kreiselt das Auto gewissermaßen auf der Stelle, der Umraum ist nur noch eine abstrakte Größe.

Die Szene ist hoch dramatisch und zugleich höchst artifiziell. Sie illustriert sehr schön die berühmte These des Filmwissenschafters Thomas Elsaesser, wonach alle Filme von Minnelli Musicals sind - und die Melodramen Musicals, deren Innenseite man nach außen gekehrt hat. Sie zeigt in wenigen Minuten verdichtet, wie virtuos Minnelli Situationen und Vorgänge zunächst reduziert, um sie in Licht, Farbe, Bewegung zu übersetzen und aus einem realistischen Zusammenhang in einen filmischen Ausdruck zu überführen. Und zwar eben nicht nur dann, wenn er seine Figuren in eine (musikalische) Traumwelt begleitet.

Von der Pike auf . . .

Minnelli ist Ausstatter und Dekorateur, bevor er Regisseur wird: Zuerst arbeitet er in den 1930er-Jahren in entsprechenden Funktionen am Broadway. Angeblich besteht er auch als Filmneuling darauf, zuerst über Monate alle Abteilungen zu durchlaufen, bevor er seine erste Regie übernimmt. Unter anderem arbeitet er dabei mit Busby Berkeley zusammen. Dieser hat das Hollywood-Musical seit den 30er-Jahren um exzentrische Tanz- und Gesangsnummern, neuartige filmische Choreografien bereichert. Minnelli wird dagegen mehr die Nivellierung der Grenze zwischen Handlung und "Nummer" betreiben.

1943 inszeniert er erstmals selbst. Der Film heißt Cabin In The Sky, ein Musical mit afroamerikanischem Cast (darunter Lena Horne, Louis Armstrong oder Duke Ellington) und ist eine Ausnahme von der üblichen Hollywood-Besetzungspolitik. 1944 folgt Meet Me in St. Louis. Ein Jahr später, mit 42, heiratet er Hauptdarstellerin Judy Garland, die erst 23 ist, aber schon seit zehn Jahren vor der Kamera steht. Tochter Liza Minnelli wird später bekanntlich selbst eine Showbizkarriere einschlagen. Die Ehe der beiden MGM-Vertragsbediensteten hält nur sechs Jahre.

Die Bindung an das Studio bleibt dagegen die große, Jahrzehnte währende Lebenskonstante des Regisseurs. Im Verbund mit Stars wie Gene Kelly und Cyd Charisse, Fred Astaire und natürlich Judy Garland erarbeitet er unter anderem einen Korpus von MGM-Musicals, der Stilgeschichte schreiben wird: Yolanda and The Thief (1945), The Pirate (1948), An American in Paris (1951), The Band Wagon (1953) oder Brigadoon (1954).

Mit Kirk Douglas dreht er einige seiner großen Melos: The Bad and The Beautiful (1952), Lust for Life (1956) und eben Two Weeks in Another Town. Douglas alias Jack Andrus kommt darin nach Rom, um in einem Film seines ehemaligen Mentors mitzuwirken. Er kommt direkt aus der Klinik, in die er sich nach einem Selbstmordversuch zurückgezogen hat. Er trifft auf eine junge Italienerin (Daliah Lavi) und auf seine Femme fatale Carlotta (Charisse). Der Rest ist ein Spiel zwischen leuchtend Rot und Blau - Farbe, Licht, Bewegung.

Das Filmmuseum zeigt mit diesen und anderen Arbeiten bis 31. März einen Ausschnitt aus Minnellis Werk, der sich auf Musicals und Melodramen konzentriert - die Aussicht auf turbulente bunte Komödien wie The Long, Long Trailer (1954) oder The Courtship of Eddie's Father (1963) bleibt ein Versprechen für die Zukunft. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 3. 2007)