Bern - Die Schweizer Bürger haben sich in einer Volksabstimmung zum zweiten Mal seit 2003 gegen eine Einheitskrankenkasse ausgesprochen. 71,2 Prozent der Bürger sprachen sich am Sonntag gegen die Initiative "für eine soziale Einheitskrankenkasse" aus. Die Vorlage scheiterte zudem klar am Ständemehr (Zustimmung der Mehrheit der Kantone). Damit bleibt die Wahl unter mehreren Anbietern für die Grundversicherung.

Links-grünes Volksbegehren

Umfragen hatten dem links-grünen Volksbegehren für einen radikalen Systemwechsel in der Krankenpflegeversicherung keine Chance prognostiziert. Lediglich zwei der 26 Kantone - die französischsprachigen Jura (mit 57,7 Prozent) und Neuenburg (mit 51,4 Prozent) - stimmten für die Änderung. Am höchsten fiel die Ablehnung im Kanton Appenzell-Innerhoden mit 91,7 Prozent Nein aus. Mit 45,5 Prozent war die Stimmbeteiligung für Schweizer Verhältnisse relativ hoch.

Das Nein unter den Stimmbürgern war etwas geringer als beim letzten Entscheid gegen einen Wechsel von der Kopfprämie zu einkommensabhängigen Prämien. 2003 stimmten nämlich 72,8 Prozent der Schweizer gegen die Gesundheitsinitiative, und es gab auch in keinem Kanton eine Ja-Mehrheit.

Besonders vernichtend fiel das Ergebnis für die Initiatoren in der Deutschschweiz aus. Nein-Mehrheiten von mehr als 80 Prozent gab es in Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Luzern, Thurgau, Glarus und Aargau. In der Deutschschweiz war das Nein in Basel-Stadt mit 65,4 Prozent am wenigsten ausgeprägt. Deutlich besser schnitt die Initiative in der Westschweiz ab. Genf verwarf mit 54,2 Prozent Nein. Auch im italienischsprachigen Kanton Tessin wurde die Vorlage nur mit 54,2 Prozent der Stimmen abgelehnt.

Das Volksbegehren war von der Westschweizer Organisation "Mouvement Populaire des Familles" (MPF) nur zwei Wochen nach dem Scheitern der letzten Gesundheitsinitiative im Mai 2003 lanciert worden. Die Initiative verfolgte zwei Hauptanliegen: Zum einen sollte die obligatorische Grundversicherung durch eine einzige Krankenversicherung durchgeführt werden. Zum anderen sollten die Krankenkassenprämien entsprechend dem Einkommen und dem Vermögen der Versicherten festgelegt werden.

Der Chef der Sozialdemokraten, Hans-Jürg Fehr, sieht im Ergebnis indes kein schlechtes Omen für die Chancen der Linksparteien bei der Nationalratswahl im Herbst. "Es ist ein Kurzschluss zu glauben, dass die SP nun auch in den Wahlen verlieren wird", sagte er. Fehr sprach von einem Mobilisierungs- und Vermittlungsproblem.

Präsidentin des Initiativkomitees enttäuscht

Die Präsidentin des Initiativkomitees, Therese Frösch, zeigte sich enttäuscht vom Ergebnis. Sie hätte sich einen höheren Ja-Stimmen-Anteil für eine Einheitskasse erwartet, sagte die grüne Parlamentarierin am Sonntag. Sie warf den Gegnern einen "Hagelregel an Propaganda" vor. Viele Menschen hätten sich sorgen um die Prämienhöhe gemacht, obwohl sie grundsätzlich für eine Einheitskasse seien. Als Argumente nannten die Befürworter ein Ende des kostspieligen "Pseudowettbewerbs" zwischen den Kassen und eine drastische Reduzierung der Verwaltungskosten. Allerdings kursierten mehrere Finanzierungsmodelle, was die Bürger offenbar deutlich verunsicherte.

Regierung, Rechtsparteien und Wirtschaftsverbände sprachen sich gegen die Vorlage aus, weil durch das Monopol einer Krankenversicherung die Kosten weiter ansteigen würden. Leidtragende einer neuen "Gesundheitssteuer" zur Kassenfinanzierung würden Mitglieder der Mittelstands, hieß es. Entsprechend begrüßte der Wirtschaftsdachverband economiesuisse das Votum als Signal für Wettbewerb im Gesundheitswesen und gegen höhere Steuern.

Das Schweizer Gesundheitssystem gilt als eines der teuersten weltweit. Zehntausende Bürger können sich die Prämien nicht mehr leisten und haben deswegen den Versicherungsschutz verloren. (APA/AP/AFP/sda)