Da ist es doch tröstlich, dass in vielen anderen Blättern dieser Tage Naumann- Festspiele angesagt sind. Denn die Entscheidung des Publizisten, wieder in die Politik einzusteigen, hat nicht nur die Zeit-Redakteure überrascht. Nun aber wird seine Berufung zum SPD-Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl 2008 als echter Coup gefeiert. Obwohl die kopflose SPD nach ihrer Wahlaffäre verzweifelt nach einem Retter gesucht und prominente Absagen kassiert hatte, gilt Naumann nicht als verzweifelte Wahl. Im Gegenteil.
Vielleicht will der 65-Jährige etwas zurückgeben, denn an seinem beruflichen Erfolg hatte auch die SPD Anteil. Der Sohn eines in Stalingrad gefallenen Anwalts war Stipendiat der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, als er in Marburg und München Politik studierte. In der sozialistischen Studentenjugend hat er sich damals als Funktionär engagiert. Der erste Wechsel zum Journalismus erfolgte 1969. Naumann begann beim Münchner Merkur als außenpolitischer Redakteur. Es folgten Jobs bei der Zeit, dem Spiegel. 1985 übernahm Naumann den Rowohlt- Verlag, zehn Jahre später Metropolitan Books und Henry Holt in New York. Von dort holte Gerhard Schröder den Weltbürger 1998 als Kulturstaatsminister nach Berlin, wo dieser nicht selten für kontroverse Debatten sorgte - etwa als er sich gegen das Holocaust-Mahnmal aussprach und meinte, eine Nation, die sich in Erinnerung an dieses Verbrechen ein "elegantes, ästhetisch befriedigendes Denkmal" ins Zentrum ihrer Hauptstadt stelle, werde "irgendwann einmal der Schamlosigkeit geziehen".
Schon damals musste er sich oft gegen den Vorwurf wehren, er sei ein "Schöngeist", der von den wahren Problemen keine Ahnung habe. Dass Naumann starken Nachholbedarf an Basiskontakten hat, meinen allerdings auch viele in der nun so enthusiasmierten Hamburger SPD.