96 Prozent der Teilnehmerinnen, die die Hormonspirale "Mirena" seit drei bis sechs Monaten benutzten, haben Beschwerden, wie eine Online-Befragung des Grazer Frauengesundheitszentrums zeigt. Nur 15 Prozent der Frauen gaben an, sich gut über die Verhütungsmethode informiert zu fühlen.
Foto: Mirena.de
Graz - Überraschende Ergebnisse brachte eine österreichweite Online-Befragung des Grazer Frauengesundheitszentrums zum Thema Hormonspirale: Viele Frauen fühlen sich von ihren Ärztinnen/Ärzten nicht ausreichend beraten und finden sich oft monate- und jahrelang mit unerwünschten Nebenwirkungen ab. Das Grazer Frauengesundheitszentrum fordert nun ein Nebenwirkungs-Meldesystem für Patientinnen.

Immer wieder Probleme

Neben der täglichen "Pille" gibt es zahlreiche Möglichkeiten, hormonell gesteuert zu verhüten: Hormonpflaster und -spirale drängen auf den Markt. In Österreich ist die Hormonspirale (Mirena) seit 1997 erhältlich und wird als "moderne, intelligente und sanfte" Verhütungsmethode beworben. "Die Erfahrungsberichte vieler Frauen sprechen jedoch eine andere Sprache", so Sylvia Groth, Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums.

In Beratungsgesprächen im Frauengesundheitszentrum hätten Frauen immer wieder von Problemen mit der Hormonspirale berichtet, die in Minidosierung Hormone direkt in die Gebärmutter abgibt. Deswegen sei man auf die Idee einer breiter angelegten Online-Befragung gekommen.

Beschwerderegister

So zeigten die 1.309 ausgewerteten Fragebögen, dass 88 Prozent der Befragten unter Beschwerden leiden, die sie auf die Hormonspirale zurückführen. Stimmungsveränderungen, Schmerzen im Unterleib, Schmierblutungen, Kopfschmerzen, Brustveränderungen, Akne und Eierstockzysten führen das Beschwerderegister an. "Die unerwünschten Wirkungen, die die Frauen schildern, decken sich mit den in der Literatur dokumentierten Wirkungen", sagte Groth. Die Mehrzahl der befragten Patientinnen gab mehrere Beschwerden zugleich an: durchschnittlich fünf.

Keine Aufklärung vorab

Alarmierend ist für die Leiterin des Frauengesundheitszentrums besonders der Umstand, dass viele Frauen (je über 90 Prozent) angaben, die Hormonspirale eingesetzt bekommen zu haben, ohne Informationen zu unerwünschten Wirkungen wie Stimmungsveränderungen, Akne, Kopfschmerzen, Brustspannen und Unterbauchschmerzen erhalten zu haben. 51 Prozent der Befragten fühlen sich über das Verhütungsmittel schlecht informiert. 52 Prozent gaben an, gar keine Informationen über unerwünschte Wirkungen durch ihre/n Frauenärztin/Frauenarzt erhalten zu haben. Nur 15 Prozent fühlen sich gut informiert.

96 Prozent mit Gegenanzeigen

35 Prozent der Teilnehmerinnen der Online-Befragung nutzten die Hormonspirale seit bis zu einem Jahr, 65 Prozent schon länger. Die Beschwerden nahmen bei ihnen längerfristig gesehen jedoch nur wenig ab: 96 Prozent der Teilnehmerinnen, die die Hormonspirale seit drei bis sechs Monaten benutzten, haben Beschwerden. Nach dreijähriger Anwendung hatten noch immer 90 Prozent Beschwerden - entgegen der Herstellerinformation, die besagt, dass diese nach den ersten Monaten aufhören würden.

Keine ärztliche Verpflichtung

30 Prozent der unzufriedenen Frauen seien von ihren Gynäkologinnen/Gynäkologen auch dementsprechend vertröstet worden. Fast allen Patientinnen mit Beschwerden (93 Prozent) wurde geraten, sich die Spirale nicht entfernen zu lassen. 35 Prozent haben die Anwendung der Hormonspirale letztlich doch abgebrochen.

In Österreich sind Ärztinnen/Ärzte nicht verpflichtet, Patientinnen die Gebrauchsinformation der Hormonspirale auszuhändigen. "Diese sind daher auf die Information durch die behandelnden Mediziner angewiesen", betonte die Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums, Sylvia Groth, die auch bedauerte, dass die Kommunikation offenbar nicht immer funktioniere. "Unabhängige Fortbildung für Gynäkologen ist erforderlich. Beipackzetteln müssten zielgruppenspezifisch verständlich geschrieben und an die Frauen weitergegeben werden", so Groth.

Systematisches Feedback der Nutzerinnen fehlt

Anders als etwa in Schweden oder Kanada würden in Österreich auch Strukturen zur Patientinnenbeteiligung in der Arzneimittelüberwachung - wie Möglichkeiten für systematische Rückmeldungen von Nutzerinnen- fehlen, so Groth. Sie fordert, dass Patientinnen selbstständig - und nicht nur über Ärzte und Apotheker - ihre Erfahrungen an die zuständige Gesundheitsbehörde weitergeben können. Bisher würden entsprechende direkte Patientinnen-Rückmeldungen nicht angenommen. Eine Änderung wäre in Österreich jedoch nur über eine Gesetzesänderung möglich.

Schering: Rückschlüsse nicht zulässig

Von Seiten des Herstellers betonte Siegfried Mayerhofer, Geschäftsführer von Schering Austria, dass Meldungen von Nutzerinnen aus einem Spontanerfassungssystem, wie der Online-Fragebogen des Frauengesundheitszentrums, nicht auf die absolute Häufigkeit oder die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nebenwirkung auftritt, schließen lassen. Was mögliche Nebenwirkungen und ihre Häufigkeit betrifft, gebe es von Seite des Herstellers sowohl Informationen und Schulungen für Ärztinnen/Ärzte als auch Info-Material für Patientinnen, so Mayerhofer. Rat suchende Frauen könnten sich auch direkt an Schering Austria- Tel. 01/97037-377 wenden. (APA)