Wer sich in diesen Wochen einen Eindruck von der politischen Kultur dieses Landes im Allgemeinen und vom medial gepflegten Rechtsverständnis verschaffen will, muss sich dabei nicht einmal an den lustigen Streichen orientieren, die der Liebling Wolfgang Schüssels und der Kronen Zeitung im Finanzressort für korrekte Amtsführung hielt und weiterhin hält. Noch muss er oder sie sich darüber wundern, wenn der Tiroler Landeshauptmann unvermittelt, aber nicht unerklärlich im Vorfeld eines Landtagswahlkampfes, die Parole ausgibt, "Mander, 's ischt Zeit, einen hochgradigen Nazi zu entlarven", die Faschismuskeule auspackt und damit auf einen Toten einprügelt, der sich nichts anderes zu Schulden kommen ließ, als der Vater eines ziemlich deutlich bekennenden Antifaschisten, leider allerdings aber auch der Chef einer lästigen politischen Konkurrenz zu sein. Und auch noch Immigrant. Anderl vom Rinn, schau oba!

Wenn der spät berufene Widerstandskämpfer es nicht einmal für notwendig hält, die Quelle jenes Gerüchtes zu nennen, das den Antifaschisten in ihm geweckt hat, erklärt sich das aus dem Gottesgnadentum, auf das sich die Herrschaft österreichischer Landeshauptleute zu stützen pflegt. Dass auch der Rest der Volkspartei es vorzieht, nichts zu sagen, weil "das das Beste ist, was man dazu sagen kann", lässt sich nur aus der Erleichterung erklären, dass man nach dem unvorhergesehenen Ende der Koalition mit den bewährten Antifaschisten in der FPÖ, später BZÖ, einem Regierungsbündnis mit dem Sohn des von van Staa aufgebrachten "hochgradigen Nazis" noch einmal entgangen ist.

Dass die Farben Blau und Orange aus der heimischen Folklore dennoch nicht wegzudenken sind, haben ihre Träger eben wieder bewiesen. Sie hacken zwar gelegentlich mit Schlägern aufeinander ein, sei es auf dem Paukboden oder auf dem Saufboden, aber wenn die Meinungsverschiedenheiten über Wehrsportübungen aus juveniler Dummheit unüberbrückbar werden, hält sie immer noch der dünne, aber kräftige Faden des Geldes zusammen. "Die Anwendung einer ungerechtfertigten Faschismuskeule" - diesmal aber wirklich ungerechtfertigt! - "gegen untadelige Gesinnungsfreunde" sei kein Teil eines freiheitlichen Selbstverständnisses, urteilte Kurzzeit-Bürgeranwalt Hilmar Kabas. Aber Hauptsache bleibt doch, dass die Kasse stimmt. Ewald Stadler glaubt zwar, dass HC Strache die FPÖ in zwei Jahren in Grund und Boden gefahren haben wird, weshalb ein Austritt geraten erscheint. Den freiheitlichen Parlamentsklub wird es so noch dreieinhalb Jahre geben, warum also austreten? Stadler behält seinen Job, die FPÖ behält ihn als lebende Subvention aus Steuermitteln im Klub - non olet, wie gewohnt.

Aber auch abseits solcher Ehrenmänner könnte einer an den Landessitten interessierten Person seltsam zumute werden, etwa wenn sie auf eine Zeitung stößt, die stolz auf ihren Erfolg vor Gericht verkündet, dass Österreich Österreich bleibt, und zum Beweis dessen mit dem Aufmacher erscheint: "Eine Frau gegen Elsner". Und um nur ja keinen Zweifel an der Unabhängigkeit der Medienjustiz aufkommen zu lassen, macht sie ihren Lesern den Mund wässrig mit der Erinnerung an ein anderes Urteil von Richterin Claudia Bandion-Ortner: "Sie ,verknackte' schon Elsner-Freund Gerharter."

Der Presserat, nach dessen Wiedereinführung dasselbe Blatt entweder in einer masochistischen Anwandlung oder in einem unbewussten Bedürfnis nach gerechter Strafe für sein Treiben erst kürzlich gerufen hat, hätte in einem solchen Fall wohl nicht lange zu beraten gehabt. (Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 9.3.2007)