Wien - Der Augarten in Wien-Leopoldstadt scheint immer attraktiver zu werden. Am Augartenspitz, wo ab dem Frühjahr 2008 mit der U2-Station Taborstraße/Augarten eine neue Erschließung des Parks möglich wird, wetteifern bereits zwei große kulturelle Neubauprojekte. Nach den Plänen für einen neuen Konzertsaal der Wiener Sängerknaben stellten am Donnerstag Filmarchiv-Leiter Ernst Kieninger und Viennale-Direktor Hans Hurch das bereits sehr konkrete Vorhaben eines Filmkulturzentrums vor. Mit dem von Delugan Meissl Associated Architects (DMAA) vorgelegten Entwurf will man nun die Politik überzeugen. Die Anrainer sind es bereits.

Das neue "Augartenkino", "ein Projekt, in dem historisches und aktuelles Kino zusammenkommen, ein Filmkulturzentrum" (Hurch), soll zwei Kinosäle (mit 150-170 bzw. 70/80 Plätzen), Flächen für Wechsel- und Dauerausstellungen, einen Forschungsbereich, eine audiovisuelle Bibliothek, eine Amphitheater-ähnliche Freiluftkinotribüne sowie Gastronomie-Angebote mit Sonnen- und Aussichtsterrasse umfassen. Die Kosten für das Gesamtprojekt samt Grünraumgestaltung bezifferte Kieninger auf 6 Mio. Euro, das nötige operative Budget auf 500.000 bis 600.000 Euro jährlich.

Foto: Filmarchiv / Delugan Meissl

Die Viennale möchte hierher das bisher am Schwarzenbergplatz etablierte Stadtkino (das eine Tochtergesellschaft der Viennale ist) übersiedeln und einen neuen Festivalstandort schaffen. Das Filmarchiv Austria will seine Sammlungen dauerhaft zeigen und plant eine ständige Schau zur Österreichischen Filmemigration sowie eine permanente Erlebnisausstellung zur Vor- und Frühgeschichte des Films, die vor allem für Kinder und Jugendliche attraktiv sein soll. "Einen identitätsstiftenden Ort für Film in Form der Ausstellungspräsentation gibt es in Wien noch nicht", meinte Kieninger. Ebenso fehle bisher eine audiovisuelle Bibliothek, "ein Angebot, das man vielleicht schon im Kontext des Museumsquartiers erwartet hätte". Auch das seit 1998 vom Filmarchiv betriebene Sommerkino könne hier in neuem Rahmen weitergeführt werden.

Ernst Kieninger sprach von einem spannenden, perspektivischen Projekt für die Filmkultur in der Stadt, für die Stadtplanung, aber auch für die weitere Entwicklung des Augartens." Ideen dafür gingen bis ins Jahr 2000 zurück, eine in Auftrag gegebene Bebauungsstudie sei in die Novellierung des Flächenwidmungsplanes 2002 eingeflossen, die eine 30-prozentige Bebauung des Augartenspitzes ermögliche. "Wir haben versucht unser Projekt in Abstimmung zu bringen mit den Bedürfnissen und hohen Sensibilitäten vor Ort", sagte Kieninger und verwies darauf, Anrainer und Bürgerinitiativen bereits frühzeitig in die Planungen miteinbezogen zu haben.

Foto: Filmarchiv / Delugan Meissl

Es sei wichtig gewesen, hier ein "Projekt von unten heraus zu entwickeln", so Kieninger, schließlich solle es auch abseits der Erweiterung des kulturellen Angebotes "einen deutlich erkennbaren Mehrwert für die Bevölkerung darstellen". Daher stellten die Schaffung eines neuen Parkzugangs mit Durchgangsmöglichkeit in die bereits bisher zugänglichen Parkteile, frei zugängliche Flächen wie eine große Sonnenterrasse mit angeschlossenem Cafe sowie das Bedachtnehmen auf eine "parkverträgliche Architektur", die weder den historischen Bestand angreife, noch einen baulichen Fremdkörper schaffe, zentrale Bestandteile der Pläne dar.

Der in der Folge ausgelobte, geladene Architektenwettbewerb sei von dem bekannten jungen Architektenteam Delugan Meissl Associated Architects (DMAA), das derzeit auch das zehn Mal so große neue Filmmuseum Amsterdam plane, gewonnen worden, schilderten Hurch und Kieninger. Das vorgelegte, in wesentlichen Teilen unterirdische Projekt sei "ganz bewusst flach gehalten", führe mit Grünrampen einen "engen Dialog mit der Landschaft" und soll im Passivhausstandard realisiert werden.

Foto: Filmarchiv / Delugan Meissl

Es seien keine Autoabstellplätze vorgesehen, jedoch ein großzügiges Eingangsareal, das als autofreie Piazza mit einer integrierten Wasserfläche auch Besucher des gesamten Augartens in ansprechender Weise empfangen könne. Genau dort soll jedoch nach den Plänen des Investors und Sängerknaben-Sponsors Peter Pühringer der neue Konzertsaal des Knabenchors gebaut werden. Zuletzt hatte es geheißen, das vor allem bei Anrainern umstrittene Projekt, mit dessen Bau im Herbst begonnen werden soll, werde im März eingereicht.

"Wir wollen keinen Kulturkampf Sängerknaben gegen Film", betonte Hans Hurch, "Wir haben uns vorgenommen, uns nicht polemisch gegen das Sängerknabenprojekt abzugrenzen. Was wir hier tun, bezieht sich aber viel stärker auf die Stadt und auf die Menschen, die hier leben. Es ist ein fairer Wettbewerb zwischen Ideen. Es liegt nun an der Politik, bei den Verantwortlichen. Es ist aber nur eines der beiden Projekte möglich!" Die Sängerknaben hätten vom bereits seit langem geplanten Filmkulturzentrums-Projekt gewusst, doch "Versuche, die beiden Projekte zusammenzubringen, sind gescheitert", sagte Kieninger.

Foto: Filmarchiv / Delugan Meissl

Eigentümer der Liegenschaft ist der Bund. "Es ist also eine Entscheidung des Bundes, was er mit seinem Eigentum macht", meinte der Filmarchiv-Chef und berichtete von angeblichen intensiven Bemühungen der Burghauptmannschaft, das Sängerknabenprojekt an einen anderen Standort zu situieren. Möglichkeiten, beide Projekte in veränderter Weise unter einen Hut zu bringen, werden jedoch nicht kategorisch ausgeschlossen: "Es wird Flexibilität notwendig sein!"

Die Stadt kenne in Person der Stadträte Andreas Mailath-Pokorny und Rudolf Schicker (beide S) das Projekt (Hurch: "Mailath-Pokorny war immer sehr angetan"), bei der alten Regierung sei man auf wenig Gegenliebe gestoßen, hoffe jedoch, dass sich dies unter der neuen Ministerin, die sich ja auch die Förderung der Filmkultur vorgenommen habe, ändern werde. Hurch: "Bis heute haben wir uns auch um keine Finanzierung bemüht. Wir hoffen aber, dass durch die heutige Präsentation etwas in Gang kommt." Natürlich werde man sich auch auf die Suche nach Sponsoren begeben, "aber wir werden vielleicht keinen Herrn Pühringer finden, der uns alles zahlt".

Foto: Filmarchiv / Delugan Meissl

Bei der heutigen Präsentation anwesende Anrainer und Vertreter des Aktionsradius Augarten lobten nicht nur die enge Kommunikation der Projektbetreiber mit ihnen, sondern auch das Projekt an sich, das sich mit der historischen Substanz und der Umgebung auseinander setze und auch der Vision einer Kulturachse an der Süd- und Ostflanke des Augartens entgegenkomme. Bei den Sängerknaben hält der Aktionsradius Augarten eine bessere Nutzung des historischen Palais für Auftritts- und Probemöglichkeiten sowie eine Öffnung des Josefstöckls für die richtige Lösung. Sicher ist indes nur eines: Zur Eröffnung der U2-Verlängerung wird keines der geplanten Projekte fertig sein. (APA)

Links: filmarchiv.at - viennale.at

Foto: Filmarchiv / Delugan Meissl