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Hermann Knoflacher

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Wien - Als "mutwillige Geldvergeudung" bezeichnete der Verkehrsexperte Hermann Knoflacher, Professor an der Technischen Universität in Wien, den geplanten Ausbau der Koralmbahn zwischen Graz und Klagenfurt. Dieser sei nur gut für die Baufirmen und die Banken. "Wenn man auf den österreichischen Steuerzahler, die Bahnkunden und die ÖBB Rücksicht nimmt, dann darf man so ein Projekt gar nicht andenken", meinte Knoflacher am Donnerstag in Wien vor Journalisten.

Die Bau des Koralmtunnels sei eine "Verantwortungslosigkeit gegenüber dem österreichischen Steuerzahler, ein Mühlenstein um den Hals der Eisenbahn", so der Verkehrsexperte weiter. Bei dem Thema handle es sich andererseits um ein "derart heißes Eisen", dass ein Mensch, der fühle, es gar nicht angreifen könne.

Kein wichtiger Ostalpentunnel

Die Koralmtrasse passe überhaupt nicht in die europäische Verkehrsgeografie und sei keineswegs ein - wie immer behauptet wird - wichtiger Ostalpentunnel. Eine Verbindung des Dreieckes Graz-Klagenfurt-Maribor wäre viel dynamischer. Andererseits sollte nicht vergessen werden, dass eine Trasse entlang der Alpen im Flachland von Budapest über Laibach, Triest, Venedig, Turin nach Lyon - der sogenannte Korridor V - schon gebaut werde. Auch ziehe die ihm Generalverkehrsplan (GVP) erwähnte Verbindung Wr. Neustadt-Sopron Verkehrspotenziale von der Koralmbahn ab.

Diese Tatsachen würden in der derzeitigen Diskussion gerne unter den Tisch fallen gelassen. "Niemand wird in ein Alpental hinein und dann später wieder hinaus fahren, wenn es rundherum Flachland gibt", so Knoflacher. Zudem sei der Bahnbau im Flachland um den Faktor 20 billiger als ein Tunnelbau. Der Koralmtunnel wie auch der Semmeringbasistunnel hätten ausschließlich regionale Bedeutung.

Keine Kostenwahrheit

Laut dem TU-Verkehrstechnikexperten Robert Kölbl würden sich die Kosten für den Bau der Koralmbahn - auf Basis von aktuellen Daten des derzeit im Bau befindlichen Schweizer Lötschbergtunnels - bis zur Fertigstellung im Jahr 2018 auf 12 bis 15 Mrd. Euro summieren, ein Vielfaches dessen, was bisher mit 4,7 Mrd. Euro angenommen werde. Im Vergleich zum alternativen Ausbau der Strecke über Maribor (Marburg) würde die Koralmbahn um die Hälfte teurer kommen. Kölbl verweist auf eine internationale Studie aus dem Jahr 2002, wonach bei 90 Prozent aller Infrastrukturprojekte die Kosten unterschätzt werden. Schienenprojekt sind demnach um rund 45 Prozent teuerer. Die beste Erklärung dafür laut den Studienautoren ist: "Lügen".

In den bisherigen Projektbegründung zur Koralmbahn finden sich laut TU-Verkehrsexperten Thomas Macoun eine Reihe von "irrealen" Annahmen. Die Koralmbahn - hervorgegangen aus der Machbarkeitsstudie Südostspange - sei allein von der Linienführung her "per se unsinnig", kritisierte Macoun vom Institut für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der TU Wien, am Donnerstag in Wien bei einer Pressekonferenz.

"Die Untersuchung der Entscheidungsgrundlagen zum Koralmbahnprojekt hat gezeigt, dass weder die den Nutzenüberlegungen zu Grunde gelegten regionalwissenschaftlichen Studien, noch die verkehrlichen Grundlagenstudien und Auswahlentscheidungen als Basis einer abgesicherten Entscheidung herangezogen werden können", sagte der Verkehrsexperte. Letztlich sei "unseriöserweise der Nutzen der Koralmbahn bereits zugerechnet, die Kosten jedoch ausgeklammert worden."

Fehlende Bewertung der Alternativen kritisiert

Auch die fehlenden Bewertungen von Alternativen zur Koralmbahn in den bisherigen Studien werden kritisiert: Weder die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) noch der "Motivenbericht Koralmbahn" enthalten demnach Prognosen zum Ausbau der Südbahn als Hochleistungsstrecke ohne Koralmbahn. Laut Hermann Knoflacher habe ein ÖBB-Test gezeigt, dass allein durch die Verwendung von Neigezügen zwischen Mürzzuschlag und Klagenfurt eine Stunde Fahrzeit eingespart werden könnte.

Im Detail kritisierte Macoun etwa, dass die bisherigen Studien unter anderem von unrealistischen Reisezeiten und Zugänglichkeiten der Haltestellen ausgehen würden. Auf Grund der vorausgesetzten idealen Reisezeiten von 60 Minuten würde sich die Zahl der Züge auf 20 pro Tag zu je 200 Personen beschränken. Derzeit könnten im europäischen Personenfernverkehr aber nur zwei Zugpaare von diesen Beschleunigungsmaßnahmen profitieren. Zudem habe die Verbindung Graz - Klagenfurt eine geringe verkehrliche Bedeutung, ein bedeutender Austausch von Personen sei unwahrscheinlich.

Auf Kosten von Projekten mit höheren Nutzen

Macoun kritisiert auch die hohen Opportunitätskosten für die ÖBB: Projekte mit viel höherem Nutzen können beim Bau der Koralmbahn nicht gebaut werden, da vom jährlichen ÖBB-Budget in Höhe von jährlich 1,3 Mrd. Euro nur mehr ein Bruchteil für das Gesamtnetz übrig bleibe.

Als unzulässig in den bisherigen Studien kritisierte Macoun auch die Ausblendung wichtiger regionalwirtschaftlicher Zusammenhänge, unseriöse Quantifizierungen der zu erwartenden Wertschöpfungseffekte, verfälschende Darstellung der ökonomischen Kostenrechnung, die sachwidrigen bzw. unangemessenen Musskriterien, die falsche Darstellung der Kapazitätsproblematik sowie manipulative Prognosen der Verkehrsmengenentwicklung.

Als Wissenschaftler seien sie nicht alleine mit ihrer Meinung, dass das Koralmprojekt eine Geldvergeudung sei, so Knoflacher. "Wir schauen nicht, woher das Geld kommt - zum Unterschied von den Politikern".

Laut Rechnung eines Verkehrsexperten würden bei prognostizierten Gesamtkosten der Koralmbahn von 10 Mrd. Euro durch die jährlichen Einnahmen aus dem Personenverkehr auf dieser Strecke von 16 bis 20 Mio. Euro gerade Mal 6 Prozent der Zinsbelastung aus diesem Projekt - bei einem Rechnungszins von 3 Prozent - gedeckt werden.

Dörfler: Wichtiges und sinnvolles Projekt

"Die Koralmbahn ist ein wichtiges und sinnvolles Projekt, nicht nur für Kärnten und die Steiermark, sondern für Österreich und Europa", betonte der Kärntner Landesverkehrsreferent, LHStv. Gerhard Dörfler, am Donnerstag in einer Presseaussendung. Die dauernden verbalen Anschläge von Knoflacher auf das Koralmprojekt seien völlig unverständlich und sollten einmal genauestens hinterfragt werden, fordert Dörfler. Knoflacher scheine seine Kärntner Wurzeln zu vergessen, denn als er im Jahr 1995 beim Kärntner Verkehrskonzept mitgearbeitet habe, sei die Koralmbahn auch für ihn noch von besonderer Bedeutung gewesen.

"Die Koralmbahn ist fixiert und wird umgesetzt", daran könne auch Herr Knoflacher nichts ändern, so Dörfler weiter. "Alle stehen nun hinter dem Projekt, die Bundesländer Kärnten und Steiermark, der Bund, die Sozialpartner und auch die EU-Kommission sind bereits auf diese Verkehrsachse aufmerksam geworden", meint Dörfler.

Im Oktober 2006 sei zudem durch einen Letter of Intent auch ein Bekenntnis der Nachbarstaaten, allen voran Italien, Tschechien, Slowakei und Polen, zur Baltisch-Adriatischen Achse abgegeben worden. Knoflacher stehe bei diesem Thema ziemlich allein da und sollte sich seine "Thesen" sparen, meint Dörfler. Im Gegensatz dazu sei die Koralmbahn eine konstruktive Lösung. (APA)