Alles neu macht der Mai bei Billa, Merkur und Co: Werner Wutscher, Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium, ersetzt Martin Lenz, der überraschend geht.

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Wien – Der Lebensmittelriese Rewe Austria legt in wenigen Wochen die Bilanz 2006 vor. Doch den Paukenschlag gibt es bereits jetzt: Martin Lenz (56) verlässt den Handelskonzern, der Vorarlberger war erst im November 2005 als neuer Vorstandssprecher der Rewe Austria angetreten. Sein Nachfolger, allerdings nur als "einfacher" Vorstand, wird mit Mai Werner Wutscher (38), derzeitiger Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium.

Lenz zieht sich auf eigenen Wunsch zurück, lässt die Zentrale der Einzelhandelsgruppe ausrichten. Seine Aufgabe sei es gewesen, bei Rewe Austria den Generationswechsel umzusetzen. Über seinen neuen Job ist bisher nichts bekannt.

Wutscher wird die Agenden von Lenz übernehmen, zudem die Verantwortung für die Bio-Marke "Ja! Natürlich". An seine Seite holt Rewe Lionel Souque (36) in den Vorstand. Der bisherige Vorsitzende der Geschäftsführung von Rewe Italien soll die Aktivität der europäischen Allianz für Österreich und den gesamten Konzern leiten. Souque und Wutscher sollen direkt an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Rewe-Konzernchef Alain Caparros, berichten. Vorstandssprecher gibt keinen mehr.

Wer bleibt

Frank Hensel bleibt im Vorstand für Billa, Merkur, Penny, Bipa, Eigenmarken und den Zentraleinkauf verantwortlich. Auch Jan Kunath hält die Stellung. Unter seine Agenden fallen Eurobilla und damit die Geschäfte in Mittel- und Osteuropa. Für zusätzliche Informationen war der Rewe-Vorstand nicht erreichbar.

Für die Branche kommt der Wechsel sehr überraschend. Und das dürfte es auch für Lenz selbst gewesen sein, berichten ihm Nahestehende. Er habe vor wenigen Tagen noch langfristige Termine in seiner Funktion als Rewe-Chef fixiert. Ein Auslöser für seinen Abgang dürften auch Machtkämpfe in der Rewe-Zentrale in Deutschland sein.

Machtkampf bei Mutter

Klaus Burghard musste erst vor kurzem sein Amt als Chef des Aufsichtsrats räumen. Im Herbst 2006 wurde Quereinsteiger Achim Egner als Chef der Rewe nach nur eineinhalb Jahren abgesetzt – es gab Differenzen über Reformkurs und Führungsstil. Egner war sehr gut mit Lenz bekannt. Kurz nach seinem Antritt kam auch der Vorarlberger an die österreichische Führungsspitze – dem Vernehmen nach mit einem Vier-Jahres-Vertrag. Die Abfertigung dürfte daher nicht allzu schmal ausfallen.

"Rewe Österreich war es gewohnt, jahrzehntelang die selben Chefs zu haben", sagt Peter Schnedlitz, Handelsexperte an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Der rasante Wechsel an der Spitze komme einem "Erdbeben" gleich. Lenz habe als gelernter Finanzmann dem Handelsprofi Hensel den Rücken frei gehalten, sagt Schnedlitz. Er habe die Personalstrukturen neu geordnet und junge Mitarbeiter in die Führungsetagen geholt, sagt ein anderer Rewe-Kenner. "Tritt bei einem großen Schiff ein Chef ab, kommt es jedoch nicht gleich vom Kurs ab."

Nie lange geblieben

Faktum ist, dass Lenz es nie lang bei einem Unternehmen gehalten hat. Er war zwei Jahre Finanzchef bei Wolford, es folgten Führungsjobs bei der Quelle AG, Lenzing, Vogel & Noot und Swarco Holding. Gefeiert als Nachfolger von "Mr. Billa" Veit Schalle, erhielt er nie dessen Macht. Schalle genoss nahezu Alleinherrschaft.

Rewe setzt in Österreich mit 32.000 Mitarbeitern in rund 1900 Filialen mehr als 8,2 Mrd Euro um und ist Marktführer. Auf den Kärntner Betriebswirten Wutscher kommt dennoch kein leichter Job zu. Erzrivale Spar ist Rewe näher gerückt, Diskonter Hofer gewinnt stark an Boden. Und der Einstieg bei Adeg sorgt für massive Irritationen. Kartellwächter Walter Barfuß nimmt sich den Deal intensiv vor. Das kurzzeitig entspanntere Klima zu Spar ist scharfen Duellen gewichen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.3.2007)