Bei den Studierenden stellen die Frauen längst die satte Mehrheit. Anfang 2006 waren an Österreichs Universitäten 156.722 weibliche und nur 135.313 männliche Hörer inskribiert. Macht einen Frauenanteil von stolzen 53 Prozent.
Bei den tatsächlich in Forschung und Entwicklung Beschäftigten sieht die Lage dann allerdings ganz anders aus: Von den insgesamt knapp 26.000 in Österreich tätigen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern waren nur 4739 Frauen.
Warum der Frauenanteil in den Naturwissenschaften und der Technik so niedrig ist, beschäftigt die (Gender-)Forschung ebenso wie die Forschungspolitik. Die bisherigen Erklärungsversuche und die zahlreichen daraus entwickelten Maßnahmen haben in den vergangenen Jahren auch schon erste Früchte getragen: So stieg die absolute Zahl der in Österreich beschäftigten Wissenschafterinnen zwischen 1998 und 2004 um gleich 80 Prozent von 2626 auf 4739.
Es geht also voran, wenn auch langsam. Denn in relativen Zahlen bedeutet das einen Anstieg der Frauenquote von 14 auf 18,3 Prozent. Verbesserungspotenziale, aber auch erklärungsbedürftige Unterschiede gibt es nach wie vor. Zum Beispiel zwischen den natur- und technikwissenschaftlichen Disziplinen.
Fächerdifferenzen
Laut Hochschulbericht 2005 waren beispielsweise 81 Prozent jener Studierenden, die im Jahr zuvor in Österreich ein Pharmaziestudium absolviert hatten, Frauen. Im weiten Bereich der Biologie betrug der Frauenanteil 65 Prozent. Auf der anderen Seite der Gender-Fächerschere: technische Disziplinen wie Maschinenbau und Elektrotechnik mit einer weiblichen Absolventenquote von gerade einmal fünf Prozent. In der Informatik sieht es mit 13 Prozent auch nicht sehr viel besser aus.
Die Wissenschaftstheoretikerin Mona Singer von der Universität Wien hat dafür eine einfache Erklärung: "Wo keine Frauen sind, da gehen auch nur sehr wenige Frauen hin - und umgekehrt." Das kann auch Ina Wagner bestätigen, promovierte Physikerin und Leiterin des Instituts für Gestaltungs- und Wirkungsforschung an der TU Wien.
Wichtige Vorbilder
An ihrem Institut, das an der Schnittstelle von Informatik und Sozialwissenschaften angesiedelt ist, studieren überproportional viele junge Frauen, was damit zu tun habe, dass auch bei den Mitarbeitern des Instituts die Anzahl der Frauen sehr hoch sei: "Vorbilder sind einfach sehr wichtig." Wagner verweist aber auch auf die positiven Effekte von spezifischen Förderungsprogrammen wie einem speziellen Doktoratsstudium an der TU Wien, das von der Informatik-Professorin Gerti Kappl entwickelt wurde.
Auch wenn es in Österreich in den technischen Fächern langsam egalitärer wird, so bleiben andere Länder fürs Erste wohl unerreichbare Vorbilder: Während bei uns 16 Prozent der technischen Dissertationen von Frauen stammen, sind es in Lettland 42 Prozent und in Litauen gar 44 Prozent. Bei den benachbarten Schweden und Finnen beträgt der Anteil immerhin 25 Prozent. Doch es geht auch noch "schlechter": In Deutschland beträgt der Frauenanteil bei den Promovierten in technischen Studienrichtungen gar nur sieben Prozent. Erhebliche nationale Unterschiede zeigen sich auch in der Physik: In Portugal und Irland stammen mehr als die Hälfte der Physik-Dissertationen von Frauen. Den niedrigsten Frauenanteil in Europa haben Estland mit 18 Prozent sowie Deutschland und Österreich mit 22 Prozent.
Angesichts solcher Zahlen verweist Claudia Ambrosch-Draxl auf die Nachwirkungen der Geschichte: "Früher zählten in gebildeten Kreisen die Naturwissenschaften nicht zur Bildung - besonders galt das für Frauen, die nicht nach Erwerbstätigkeit strebten." Anders sei es in der jüdischen Bevölkerung gewesen, so die Professorin für Atomistic Modelling an der Montanuniversität Leoben, und erinnert an die Physikerin Lise Meitner und die Psychologin Charlotte Bühler.
Ergänzende Erklärung für diese Zahlen hat Beate Littig, Soziologin am Institut für Höhere Studien in Wien: "Das hat auch mit dem extrem konservativen Frauenbild in Deutschland und Österreich zu tun." Aber eben nicht allein, denn selbst in gesellschaftlich konservativen und religiös geprägten Ländern wie Irland drängen Frauen in die Technik. Wichtiger seien Traditionen weiblicher Erwerbsarbeit wie in den ehemals kommunistischen Staaten oder in Skandinavien, wo der Arbeitskräftemangel durch stärkere Integration von Frauen ausgeglichen worden sei. "In Deutschland und Österreich holte man Gastarbeiter und ließ die Frauen zu Hause", so Littig.
Und der Feminismus?
Da aufgrund der Entwicklung der vergangenen Jahre erfreulicherweise ein weiterer Zuwachs an Wissenschafterinnen zu erwarten ist, bleibt die Frage, ob sich dadurch womöglich auch die Inhalte der Forschung selbst verändern könnten.
"Has Feminism Changed Science?", fragte vor zehn Jahren die US-Wissenschaftshistorikerin Londa Schiebinger in einer umfangreichen Studie zu ebendiesem Thema und stieß dabei - wie nicht weiter überraschend - auf erhebliche Unterschiede zwischen den Disziplinen. Für einzelne Fächer wie die Primatenforschung ließ sich aber doch zeigen, dass es parallel zum höheren Anteil der Primatologinnen auch zu einer Veränderung in den Forschungsfragen und -methoden kam.
Elisabeth List, Technikphilosophin an der Universität Graz, kann der Annahme durchaus auch etwas abgewinnen, wenn auch nicht für alle Fächer. "In Bereichen wie der Architekur oder im Städtebau haben feministische Zugänge einiges verändert. Grundsätzlich kommt es aber weniger darauf an, eine Frau zu sein, als einen kritischen Zugang zu haben."