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Jahrelang ging Lewis "Scooter" Libby als Top-Berater der US-Regierung im Weißen Haus ein und aus, nun könnten sich die Gefängnistore hinter ihm schließen.

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Washington - Der Sturz war tief und schmerzhaft. Jahrelang ging Lewis "Scooter" Libby als Top-Berater der US-Regierung im Weißen Haus ein und aus, nun könnten sich die Gefängnistore hinter ihm schließen. In der vertrackten Affäre um die skandalträchtige Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame sprach ihn ein Geschworenengericht am Dienstag schuldig. Ein Strafmaß steht noch nicht fest, doch könnte er nach der Verurteilung wegen Meineids, Behinderung der Justiz und Falschaussage für viele Jahre hinter Gitter wandern.

Der in der Öffentlichkeit wenig bekannte Stabschef von Vizepräsident Dick Cheney war als Figur im Hintergrund an praktisch allen folgenreichen Entscheidungen des Weißen Hauses der vergangenen Jahre beteiligt - darunter maßgeblich auch an den Weichenstellungen für den Irak-Krieg. Sein Sturz und der pikante Prozess waren eine späte Folge der Kontroverse um den Irak-Krieg. Denn in der Plame-Affäre ging es im Kern um die manipulativen Methoden, derer sich die Mannschaft von Präsident George W. Bush bediente, um den Feldzug zu rechtfertigen und dessen Kritiker zu diskreditieren. Bush ließ am Dienstag umgehend erklären, dass er Libbys Schuldspruch bedauere.

Skandal um Enttarnung von Agentin Plame

Der Skandal war ins Rollen gekommen, als im Juli 2003 der konservative Kolumnist Robert Novak unter Berufung auf Regierungskreise die Identität Plames preisgab. Sie ist die Frau des früheren US-Botschafters Joseph Wilson, der kurz zuvor öffentlich der Behauptung Bushs entgegengetreten war, der frühere irakische Machthaber Saddam Hussein habe sich in Niger waffenfähiges Uran besorgen wollen. Es lag deshalb nahe, dass es sich bei der Preisgabe von Plames Identität um einen perfiden Racheakt der Regierung an Wilson handelte - enttarnte Undercover-Agenten können schließlich ihren Job nicht mehr ausüben.

Nicht nur Novak, auch andere Journalisten wurden damals aus der Regierung mit Informationen über Wilsons Frau gefüttert. Im Verlauf des Prozesses wurden mehrere bekannte Journalisten als Zeugen vernommen, was dem Verfahren beträchtlichen Glamour verlieh. Auf eine spektakuläre Vernehmung von Cheney, die zum Prozessauftakt im Jänner noch erwogen worden war, wurde allerdings verzichtet. Dennoch gewährte das Verfahren Einblicke in das Zusammenspiel zwischen Medien und Politik.

Libby war für den Vizepräsidenten eine absolute Vertrauensperson. Der Berater gehörte viele Jahren lang zum Kreis der "Falken" in Washington. Der Sohn eines Investmentbankers studierte an der Eliteuniversität Yale im Neuenglandstaat Connecticut und machte dann an der Columbia-Universität in New York seinen Jura-Abschluss. In Yale schloss Libby Bekanntschaft mit dem Politikprofessor Paul Wolfowitz, dem er nach einigen Jahren in einer Anwaltskanzlei ins Außenministerium folgte.

Später holte Wolfowitz seinen Schützling ins Pentagon, wo sich Libby bereits Anfang der neunziger Jahre als Advokat militärischer Methoden zur Lösung internationaler Probleme hervortat. Schon kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 gehörte Libby zu den Befürwortern eines Militärschlags gegen Saddam Hussein - obwohl keine Spur nach Bagdad führte. Auch half Cheneys Büroleiter später bei der Ausarbeitung der unrühmlichen - weil mit Fehlinformationen gespickten - Rede mit, in der Außenminister Colin Powell im Februar 2003 vor dem UNO-Sicherheitsrat den Feldzug zu rechtfertigen suchte. Powell betrachtet die Rede im Nachhinein als "Schandfleck" in seinem Lebenslauf.

Vielleicht hilft Libby nun, dass er Leidenschaften auch außerhalb der Politik kennt. Vor Jahren veröffentlichte er einen Roman mit dem Titel "The Apprentice" (Der Lehrling) - und in einem Interview gestand er, dass er davon träume, "ein reiner Romanautor zu werden, in Kreta zu sitzen und Weine mit seltsam klingenden Namen zu trinken". Sollte der 55-Jährige hinter Gitter kommen, würde aus Kreta und den Weinen zwar vorerst nichts werden - aber Zeit für die Schriftstellerei hätte er dann zumindest genug. (APA)