Andreas Beck, bisher Dramaturg in München, Stuttgart, Hamburg und an der Wiener Burg, erkundet ab Herbst in der Wiener Porzellangasse das Verhältnis von Stand- zu Spielbeinen im "Werkraum"-Kontext neu.

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Wien - Der gelernte Dramaturg Andreas Beck (41), bislang vor allem als Ermutiger werdender Dramatiker hervorgetreten, entstammt, obwohl in Mülheim/Ruhr geboren ("Bloß mein Ankunftsort!"), dem Rheinland - und ist als solcher ausübender Sanguiniker. Fragen nach dem Gedeihen seiner Pläne für das Wiener Schauspielhaus begegnet er geradezu aufreizend gut gelaunt.

Knapp neun Monate Vorlaufzeit für die knifflige Bespielung von Wiens traditionsreichster Mittelbühne? Kein Problem, sagt Beck. "Man kann es ganz einfach sagen - frei nach Matthias Hartmann, dem designierten Burgtheaterdirektor: Ein Intendant, der sagt, er habe genügend Geld, ist ein Idiot! Und ebenso verhält es sich mit der Vorbereitungszeit - davon kann man auch nie genug haben."

Die "Zeit des Versprechens" sei ja "eigentlich am erotischsten: Insofern ist es schade, nur so kurz 'sexy' sein zu dürfen."

Ein Intendant, so steht es zu vermuten, unterwirft sich ein Haus: macht es sich untertan. Er muss aber auch um Zustimmung werben. Muss Verführungskünste entwickeln, die zunächst allfälligen Mitstreitern, bald darauf jedoch den Theaterendverbrauchern, den Zuschauern gelten.

Beck, der als Burg-Dramaturg ursprünglich noch Shakespeares Maß für Maß (Regie: Karin Beier) hätte betreuen sollen, wird die Souterrain-Bühne in der Porzellangasse wahrscheinlich erst Mitte November aufsperren - dann aber richtig, mit Masse und mit Klasse, wie er andeutet: "Die erste Spielzeit wird einen Auftakt bilden. Davor wird es Previews, Vorschauen und eine kleine Inszenierung von Michel Didym aus Paris geben, um in der Stadt Präsenz zu zeigen - und um die Menschen vorzustellen, mit denen wir arbeiten wollen."

Gordischer Knoten

Momentan müsse Beck "noch ein paar gordische Knoten durchschlagen - dann werden wir mit einem Inszenierungsblock herauskommen."

Im Schauspielhaus, zuletzt vor allem eine szenische Kühlbox für exotisch-theatralische Weltkulturbeiträge, soll wieder mehr saurer, vor Ort anzuzapfender Mimenschweiß fließen ("Obwohl Airan Bergs Konzept schon seine Richtigkeit hatte!").

"Ich möchte versuchen", sagt Beck, "wieder mehr ,Repertoire' zu spielen. Zwei Dinge gehören für mich zusammen: die Arbeit mit Autoren und neuen Texten - die aber in meinen Augen einen reinen En-suite-Betrieb ausschließt. Darum braucht es unbedingt ein Ensemble, damit man Produktionen länger halten kann."

Will heißen: Beck stellt Airan Bergs Konzept vom globalkulturellen Multikulti-Kopf zurück auf die Füße. Keine Kleinigkeit für ein Haus, das mit circa 1,5 Millionen Euro Budget zwar auskömmlich, aber keineswegs berauschend dotiert ist. Genauer gesagt: Die Stadt büßte bisher 1,4 Millionen Euro zu, Verhandlungsergebnisse mit Bund und Gemeinde stehen noch aus.

Beck sagt, er wolle "aufstocken". Man werde in der Porzellangasse fortan wieder mit Inspizient und Souffleuse arbeiten. Sechs Schauspieler möchte er fix anstellen, weitere sechs dem Hause locker assoziieren. Wer nach Absolvierung der Repertoirepflichten noch die Kraft für ein "Mitternachtsprogramm" hat, darf mit Anstellung rechnen.

Frisch verliebt

Schürft man nach dem ideologischen Kern von Becks Planungsarbeit, stößt man übrigens auf Verblüffendes: Beck, bisher ein Textschürfer, der Autorinnen/Autoren wie Gerhild Steinbuch oder Johannes Schrettle ans Scheinwerferlicht beförderte, hat sich ausgerechnet in die Karyatiden, die Schauspieler, verliebt.

Beck sagt: "Das Haus hat eine glückliche Größe und die Historie eines ,Werkraums' - und das meint vor allem prozesshaftes Arbeiten. Und dabei ist mir wichtig, dass man auch wieder beginnt, über Spielweisen nachzudenken."

Die Diskussion über "Spielweisen" sei an den großen Instituten auf den Hund gekommen. Kein Mensch wisse mehr, warum etwas so und nicht anders gespielt wird. "Interessant wird es doch erst", so Beck, "wenn man an einem Abend ablesen kann, ob die beteiligten Schauspieler miteinander eine Spielweise gefunden haben, respektive zusammen mit der Regie - oder ob jeder einfach seinen Stiefel spielt!"

Im Herunterbeten marktgängiger "Regie-Handschriften" werde eben auf die "Spielästhetik" vergessen. Schluss damit, sagt Beck sanguinisch. Er wird ein Austauschprogramm mit dem Berliner Gorki-Theater pflegen. Und Wien darf sich auf junges Blut wie Regie-Talent Tilmann Köhler (bisher Weimar) freuen. (Ronald Pohl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 3. 2007)