Bild nicht mehr verfügbar.

Gregor Hatala im "Union Jack", dahinter die prüfenden Blicke von Freddie Mercury und Brian May.

Foto: Gindl/APA
Wien - Freddie Mercury gehört uns allen. Also ebenso dem aus Antwerpen stammenden Choreografen Ben van Cauwenberg, der seit 1992 das Ballett am Hessischen Staatstheater in Wiesbaden leitet. Mit dessen Tanzhommage an Queen haben sich auch das Wiener Ballett und sein Publikum den Rocksänger angeeignet: in der Volksoper, wo das 2004 entstandene Stück seine Österreich-Premiere hatte.

Das ambitionierte Werk beginnt mit einem erschütternden Bekenntnis des Stadttheater-Meisters zum Aerobic-Tanz, der sich bauchfrei in die Klänge von "We will rock you" und "It's a hard life" fügt. Der Mittelscheitel des ausgezeichneten Gregor Hatala korrespondiert neckisch mit Mercurys gewagtem Oberlippenbart, durch den dieser sich wiederum klar von der Erscheinung des King of Rock'n'Roll (Presley) distanzierte.

Wembley-Besuch

Die erste wichtige Videoeinspielung im Stück zeigt Mercury im Wembleystadion. Hüben die beherrschten Besucher des Volksoper (live) und drüben die brodelnde Masse von einst (damals live). Eine Zeitmaschine. Ballett und Rock, geht das? Natürlich, behauptet Ben van Cauwenberg (und er ist beinahe der Erste). Ballett war, könnte man sagen, immer schon Pop. Rudolf Nurejew war weiland ein Poptänzer der diskret charmanten Bourgeoisie.

Odette und Odile: Schizopop. Giselle und Manon: Popfiguren wie das kultige Pärchen Romeo und Julia. Die großen Ballerinen von Fanny Elßler bis zu Sylvie Guillem sind zu Popikonen geworden. Auch Mozart ist nicht erst seit Falco ein Popstar, und Diva Netrebko wird in der Kutsche des Wiener (P)Operndirektors Holender in den (P)Opernballsaal chauffiert. Das ist möglich, weil sich im "E" der Kunst schon immer ein "U" versteckt hat, auch wenn diese Behauptung euphemistisch klingt.

Aber die Tanzhommage an Queen beschönigt nichts, was nicht schon vorher schön gewesen wäre. Sie kommt als Tribut an Queen daher, aber eigentlich ist sie einer an die Hackler im Spitzentanzbusiness. Zu "We are the champions" sind im Video gegen Schluss hin auch Tänzer, Techniker und Bühnenarbeiter zu sehen. Sie haben dieses Stück gemeinsam auf die Rampe gestemmt, das wie ein Verlierer anhebt und sich zu einem Gewinner mausert, bei dem das Publikum stellenweise mitklatscht und schließlich Standing Ovations spendiert.

It's a kind of magic!

Im zweiten Teil blühen Choreografie, Tänzer und die Videoclips auf. Zu "Break free" wird in Teil eins noch eine unzufriedene Ehefrau in den Orkus gestoßen, aber nach der Pause, zu "Fat Bottomed Girls", zeigt ein Tänzer Haut: Auf seinen Rücken ist eine Frau gemalt, deren Brüste durch die Po(p)backen des Mannes geformt werden.

Weiters wird ordentlich Kitsch geschleudert (zu "Who wants to live forever") und Fahrrad gefahren (Queen-Fans erraten den Song), Kinder treten auf - sie sind verdammt noch mal entzückend! -, und Shootingstar Daniil Simkin gibt, wendig genug, um der Beste zu sein, vor einer Gruppe von Ano Nyms einen lichtverhackerten "Invisible Man".

Wer behauptet, das wäre alles vordergründige Illustration, dem sei entgegengeschleudert: Wird nicht jede Tiefe von einer Oberfläche beschützt? Das Ballett der Wiener Opern ist unschuldiger und stadttheaterlicher geworden in der letzten Zeit. Wenn schon. Wien ist ja auch eine Stadt. Die - und Freddie - gehören allen. (Helmut Ploebst/ DER STANDARD, Printausgabe, 06.03.2007)