Washington - Ein Skandal um die Behandlung verletzter Irak-Soldaten in einem führenden Militärkrankenhaus schlägt in den USA immer höhere Wellen. Am Freitag (Ortszeit) trat Heeres-Staatsekretär Francis Harvey auf Druck von Verteidigungsminister Robert Gates zurück. Bereits zuvor war der für das international bekannte Walter-Reed-Klinikzentrum des Heeres in Washington zuständige General George Weightman wegen der Zustände in dem Hospital abgelöst worden. Dort waren genesende Patienten, die eine Langzeitbehandlung benötigen, zum Teil in Räumen mit Schimmel und Moder an den Wänden untergebracht.

Untersuchung geplant

US-Präsident George W. Bush kündigte unterdessen in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache eine Untersuchung der Zustände auch in anderen Militärkrankenhäusern an. Dazu soll eine überparteiliche Kommission gebildet werden. Auch Gates hat bereits eine Untersuchung eingeleitet, und der US-Kongress will ebenfalls Nachforschungen anstellen. Nach Pentagon-Angaben sind seit Beginn des Irak-Kriegs vor vier Jahren fast 24.000 US-Soldaten verwundet worden, gut 10.000 davon so schwer, dass sie in ihrer Heimat behandelt werden mussten und nicht in den aktiven Dienst zurückkehren konnten. Mehr als 3.100 Soldaten starben.

86 Milliarden Dollar für Veteranen

Bush will den US-Kongress nach Angaben seiner Sprecherin um die Freigabe von 86 Milliarden Dollar (65,3 Mrd. Euro) zur Versorgung von US-Veteranen bitten. Die Bewilligung der Summe würde demnach einen Anstieg um 77 Prozent seit seinem Amtsantritt und den höchsten Versorgungsetat für Veteranen in der Geschichte der Vereinigten Staaten darstellen, warb Bush vorab in seiner Radioansprache. "Dieses Land hat die moralische Verpflichtung, unseren Soldaten und Soldatinnen die beste Fürsorge und Behandlung zu bieten. Sie verdienen es, und sie werden es bekommen", teilte der US-Präsident weiter mit.

Im in den USA nahezu legendären Walter-Reed-Hospital werden viele der im Irak und in Afghanistan verwundeten und verstümmelten Amerikaner behandelt. Die "Washington Post" hatte vor kurzem erstmals die Zustände aufgedeckt, unter denen ein Teil der Langzeitpatienten in einem gesonderten Krankenhaus-Gebäude lebte. Bilder zeigten neben Schimmel, Moder und Löchern in den Wänden abblätternde Farbe und schäbige, zum Teil beschädigte und abgenutzte Möbelstücke.

Entrüstung

In den USA hatte die Enthüllung einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, zumal das 1909 eröffnete Walter-Reed-Hospital zu den führenden Kliniken zur Behandlung von verletzten US-Kriegsveteranen zählt. Auch Gates äußerte sich am Freitag bei der Bekanntgabe des Harvey-Rücktritts enttäuscht über die Zustände. Es gebe keine höhere Priorität als die Sorge für die verwundeten Soldaten, sagte der Minister. Er ersetzte am Freitag nach nur einem Tag auch Weightmans vorläufigen Nachfolger General Kevin Kiley als Kommandeur des Hospitals, nachdem bekannt geworden war, dass dieser seit langem von den Zuständen im Krankenhaus wusste und wenig für Verbesserungen tat. Zudem wurden ein Offizier und mehrere weitere Mitglieder des Hospital-Militärpersonals versetzt.

Bush erklärte in seiner Rundfunkansprache, seine Regierung werde sicherstellen, dass genesende Soldaten "mit der Würde und dem Respekt behandelt werden, den sie verdienen". Die stets samstags ausgestrahlte Rundfunkansprache war bereits am Freitag veröffentlicht worden - ein ungewöhnlicher Schritt, der nach Experteneinschätzung die Besorgnis des Präsidenten angesichts des Skandals widerspiegelt. (APA/dpa/AFP)