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Kurt Palm

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Am 14. Dezember 1984 geschah in der DDR etwas Merkwürdiges: An diesem Tag erschien im Neuen Deutschland , dem Zentralorgan der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), kein Foto von Erich Honecker. Das ist insofern bemerkenswert, als im ND üblicherweise gleich mehrere Fotos von Honecker erschienen: Honecker bei der Verleihung des Ordens "Verdienter Kranführer des Volkes"; Honecker beim Besuch der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft "Roter Paprika"; Honecker beim Überqueren der Karl-Marx-Allee; Honecker beim Rezitieren des Gedichts: "Den Sozialismus in seinem Lauf / Halten weder Ochs noch Esel auf" etc. etc.

Auch wenn es sich bei dieser typisch deutschen Variante des Personenkults um ein stalinistisches Relikt handelte, haftete den Auftritten Honeckers nichts Bedrohliches, sondern eher etwas Tragikomisches an. Je massiver nämlich versucht wurde, Honecker als eine Art marxistische Lichtgestalt zu präsentieren, desto finsterer wurde es um ihn herum. Vielleicht wurde Honecker aber auch von den Scheinwerfern, die ihn anstrahlten, so geblendet, dass er einfach nicht mehr sah, was um ihn herum tatsächlich vorging.

Honeckers Präsenz im Neuen Deutschland ist ungefähr vergleichbar mit jener Christoph Leitls im Magazin der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft SVAktuell. In der neuesten Ausgabe dieser höchst informativen Zeitschrift ist Präsident Dr. Christoph Leitl auf den ersten drei Seiten gleich auf vier Fotos zu sehen. Es gab aber auch schon Ausgaben, in denen Leitl siebenmal abgebildet war. Wenn man gemein wäre, könnte man diese Form des Personenkults als "Stalinismus light" (nicht "lightl") bezeichnen, aber das fällt mir nur ein, weil Josef Stalin am 5. März vor 54 Jahren starb und ich laut strenger Auflage der ALBUM-Redaktion in jeder Kolumne auf den Geburts- oder Sterbetag einer mehr oder weniger berühmten Persönlichkeit hinweisen muss.

Mir wäre auch lieber gewesen, ich hätte heute über die Hollywood-Schauspielerin Jean Harlow schreiben können, die am 3. März 1911 geboren wurde und deren Tod im Alter von 26 Jahren Anlass zu allerlei Spekulationen gab. Die kurioseste von allen: Harlow, die ja auch als "blondes Gift" Berühmtheit erlangte, sei gestorben, weil "Chlorid von ihrem Haar in ihr Gehirn sickerte und sie tötete". Es gäbe noch viel zu erzählen über Jean Harlow, aber ich muss mich noch meiner Lieblingsrubrik in der SVAktuell widmen, der "Ehrung verdienter Funktionäre", die sich dieses Mal so liest: "In einer Feierstunde anlässlich der Sitzung des Landesstellenausschusses Salzburg am 1. Dezember 2006 wurden KommR Horst Holztrattner, KommR Wilhelm Matschl und KommR Josef Wenger mit der SVA-Ehrenmedaille ausgezeichnet. In seiner Laudatio würdigte Landesstellenausschussvorsitzender Präsident KommR Julius Schmalz das hohe Engagement der Jubilare" etc. etc.

Als SVA-Mitglied, das gerade seinen Quartalsbeitrag in nicht unbeträchtlicher Höhe überwiesen hat, denke ich mir: Solange ein Matschl von einem Schmalz geehrt wird, ist doch eigentlich alles in bester Ordnung. Oder? Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Kabarettismus im ORF zerschlagen werden muss. (Kurt Palm /ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 03./04.03.2007)