Buchcover: Aufbau Verlag

NONNEN UND MÖRDERINNEN Fred Vargas ist außergewöhnlich, bizarr und von einer unheimlichen systemimmanenten Logik, die sich in der Außensicht oft als Vision, als unberechenbare mystische Erfahrung darstellt. Die Trägerfigur ihrer Romane ist der Pariser Kommissar Adamsberg, dessen schweifende Gedankengänge zu unerwarteten Zielen führen. Zwei Drogentote machen Adamsberg Kopfzerbrechen. Beim Renovieren eines Hauses sucht ihn eine spukende Nonne heim, ein Neuer in der Truppe will eine Rechnung aus Kindheitstagen begleichen. Und dann ist da noch eine Massenmörderin aus dem Gefängnis entkommen. Adamsberg stellt eine Falle und fängt nicht den ein, den man erwarten würde. Mit dem Wort Kultautor wird inflationär umgegangen. Hier passt es. Die dritte Jungfrau (Deutsch: Julia Schoch, € 20,60, Aufbau) wird sich auf den Jahresbestenlisten finden.

TERRORISTEN UND SPIESSBÜRGER Ein italienischer Terrorist, mit internationalem Haftbefehl gesucht, entkommt nach Südamerika und verliert bei den Guerillas sämtliche Illusionen. Er will zurück in die Heimat, muss dafür aber seine alten Genossen verpfeifen. Nach kurzem Gefängnisaufenthalt kommt der Kollaborateur Giorgio Pellegrini frei. Er wird zum Spitzel für korrupte Polizisten und mit dem ergaunerten Geld zu einem Nobelrestaurantbesitzer. Der Weg in die Bürgerlichkeit ist allerdings mit Leichen gepflastert. Massimo Carlottos Roman Arrivederci amore, ciao (Deutsch: Hinrich Schmidt-Henkel, € 19,40, Tropen) ist bösartig und nicht einmal besonders fiktiv. Schließlich hat der Autor, einst Mitglied von Lotta Continua, die Mühlen der Justiz kennen gelernt.1976 wurde er wegen Mordes angeklagt, freigesprochen, erneut verurteilt, und kämpfte bis 1993 um seine Rehabilitation.

ENTERBTE UND ENTFÜHRTE Geld verdirbt die Sitten. Das passiert zumindest in Montesecco, wo der bis dahin unauffällige Greis Benito drei Tage vor seinem Tod plötzlich ein Gelage mit drei Nutten aus Rom feiert und dafür den Pfarrhof mietet. Das ganze Dorf ist in Aufruhr, erst recht, als man entdeckt, dass der Dahingeschiedene ein Millionenvermögen besessen hat. Das kann sich niemand erklären, bis sich herausstellt, dass Benito zur Verteilung seines Vermögens ganz eigene Ideen hatte. Bernhard Jaumann benützt den Plot, um die moralische Unzulänglichkeit in Zeiten des Ausnahmezustands zu demonstrieren. Die Entführung eines Buben und die Drohung, ihn umzubringen, wenn nicht zwei Millionen Euro gezahlt würden, bringen die Erben arg in Zugzwang. Jeder verdächtigt jeden, doch mit diesem Täter hat keiner gerechnet ... (Die Drachen von Montesecco, € 20,50, Aufbau).

STALKER UND ANWÄLTE Das Etikett "Mafiajäger" ist für einen italienischen Autor ein gutes Verkaufsargument, erwartet man sich da doch Authentisches aus der Welt des wahren Verbrechens. Gianrico Carofiglio ist zwar Anti-Mafia-Staatsanwalt in Bari, sein Krimi In freiem Fall (Deutsch: Claudia Schmitt, € 18,50, Goldmann) beschäftigt sich jedoch mit privatem Terror. Guido Guerrieri wird gebeten, einer jungen Frau zu helfen, die von ihrem Ex-Geliebten, der sie misshandelt und vergewaltigt hat, verfolgt wird. Nun ist der Mann eine wichtige lokale Größe und hat auch noch einen einflussreichen Vater. Der Richter, der keine beruflichen Schwierigkeiten haben will, steht auf der Seite des Mannes, aber die gedemütigte Frau hat zwei Schutzengel. Erstens ihren Anwalt und zweitens eine Helferin aus dem Frauenhaus. Carofiglios zweiter Roman wirkt engagiert, spannend und realistisch. (Ingeborg Sperl / ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 03./04.03.2007)