Alois Kracher

Foto: Andreas Durst
STANDARD: Wie wird der Süßweinjahrgang 2006?

Kracher: Ausgezeichnet in Qualität wie auch in Menge. Wenn es auch sehr lange gedauert hat, wegen der geringen Feuchtigkeit im Herbst: Bis Dezember wurde selektioniert. Nervlich hat man dann ein Problem im Oktober und Anfang November, weil man zwar perfekte Qualität sieht, aber noch so vieles passieren könnte wie zum Beispiel extreme Regenzeiten, die wir heuer dann zum Glück nicht hatten.

STANDARD: In Kalifornien machen Sie mit Manfred Krankl (Anm. gebürtiger Oberösterreicher, der in Santa Barbara höchst bewertete Weine herstellt) unter "Mr. K" Eisweine für den US-Markt, die auf andere Art hergestellt werden dürfen als in Europa. Was ist daran für Sie interessant?

Kracher: Das Verfahren heißt Cryoextraktion. Oder einfacher gesagt: Die Beeren werden "im Kühlschrank" gefroren. In Kalifornien kann ich ausprobieren, was ich hierzulande so nicht zu machen brauche, weil es ohnehin - relativ oft - friert. In Österreich kann ich dafür auch einen Jahrgangscharakter im Eiswein einfangen.

STANDARD: Wie würde so ein Charakter im Eiswein heuer aussehen?

Kracher: Da es heuer bis in den Jänner nicht kalt genug war, schmeckt man möglicherweise einiges an Umwelteinflüssen, wie Bitterstoffe, die aus mürben Beerenschalen kommen. Und die Weine werden vermutlich weniger elegant sein als Eisweine aus Trauben, die gefroren sind, als sie noch einigermaßen gesund waren.

STANDARD: Wie schmecken Eisweine im Unterschied zu Süßweinen, die mit Botrytis (Anm. "Edelfäule", ausgelöst durch einen Pilz) entstehen?

Kracher: Eisweine sind bei aller Frucht geradliniger und klarer. Botrytis-Weine sind wuchtiger und voluminöser. Sie schmecken nach Vanille und je nach Jahrgang mehr oder weniger intensiv nach Karamell.

STANDARD: Sie sind Spezialist für Süßweine aus Botrytis-Trauben und produzieren auch Eiswein. Im Sprachgebrauch wird Eiswein gerne mit Süßwein generell gleichgesetzt?

Kracher: Aber nur Botrytis-Weine sind an eine Region, an ein bestimmtes Klima gekoppelt und sind daher Herkunftsweine. Trocknen und frieren kann man immer.

STANDARD: Angesichts der heurigen Medien-Panik, keinen Eiswein zu bekommen, und der Diskussionen bezüglich Klimawandel: Halten Sie Änderungen für notwendig?

Kracher: Nein. 2003 gab es wegen des Wetters zum Beispiel kaum Botrytis-Weine. Das ist einfach so. Wir sind in einer Region, in der draußen in der Natur alles wachsen kann, was wir brauchen. Und wenn es einmal in zehn Jahren nicht so ist - das bezieht sich jetzt auf jeglichen Wein -, dann zeigt uns das umso mehr, dass wir es mit der Natur zu tun haben, und vielleicht auch, dass wir im Weingarten anders arbeiten müssten. Teil des Spiels sollte sein, diese Jahrgangsunterschiede zu akzeptieren. Dann sieht man als Winzer wie als Konsument auch schwierige Jahrgänge lockerer. (DER STANDARD/RONDO - Printausgabe, 2. März 2007)