Als Problem bliebe nur, dass Villazón noch an Virgin, also EMI, gebunden war und CD-Verpflichtungen abarbeiten musste, um gänzlich frei für Anna zu werden. Dieses Faktum – plus Auftritts- und PR-Fleiß – ergibt eine zur Zeit auffällige Villazón-Präsenz; inklusive Absagen (bei "Bohème" an der Staatsoper), die hoffentlich nicht erste Verschleiß-Hinweise darstellen. Villazón ist allerdings kein Blender, eher ein schauspielerisch flexibler, intensiver und dabei vokal robuster, mitunter halt etwas plakativer Sänger.
Es ist also keine unverdiente Karriere, die hier stattfindet, wenngleich die Qualitätsdifferenz zu anderen arrivierten Tenorkollegen keinesfalls gegeben ist. Die Produktivität allerdings ist so gewaltig wie riskant. Da kam unlängst Claudio Monteverdis "Combattimento" (Virgin) heraus, dann "Gitano", eine Zarzuela-Zusammenarbeit mit Dirigent und Vorbild Placido Domingo (auch Virgin). Und jetzt ist die Duo-CD mit Netrebko im Anrollen (Deutsche Grammophon).
Aber langsam: Villazón in der Originalklangwelt, wie soll das gehen? Ein bisschen nimmt er sich bei Monteverdi zurück, aber er bleibt ein romantischer Tenor, der aufgeladen singt, auch kaum Pianissimokultur zu bieten hat, schon gar nicht die vibratolose Schlankheit des Klanges, die man erwarten würde. Die ganze Aufnahme (geleitet von Emmanuelle Haim) neigt allerdings im Vokalen zu Expressivität (toll: Sopran Patrizia Ciofi), ist jedoch keinesfalls verunglückt, aufschlussreich bezüglich Villazóns Grenzen aber in jedem Fall. Bei "Gitano" und den Zarzuelas kann Villazón natürlich das tragische Schmachten und die effektvollen, voll tönenden und extrovertiert zelebrierten Höhen ausspielen. Und wie Domingo klingen.