Die Deutschen jubeln dieser Tage über 2,5 Prozent Wachstum, in Österreich gab es im Vorjahr 3,2 Prozent. Zumindest in Wirtschaftsbelangen hat die Regierung Schüssel - und ihr viel gescholtener Finanzminister - offenbar nicht so schlecht gearbeitet.

Das lässt auch für die neue Regierung hoffen, denn deren Wirtschaftsprogramm schreibt den schwarz-blau-orangen Kurs kontinuierlich fort. Aus ökonomischer Sicht sind die vielen SPÖ-Umfaller ein Segen: Weder wurde die für international tätige Konzerne so vorteilhafte Gruppenbesteuerung zurückgenommen noch die Pensionsreform ernsthaft angeknabbert. Die Reichensteuer wurde wohlweislich ad acta gelegt und auch auf andere größere fiskal- und sozialpolitische Experimente verzichtet. Die vorsichtige Flexibilisierung im Arbeitsmarkt wird auch dank des Pragmatismus der Gewerkschaften fortgesetzt. Und die Entscheidung, in der jetzigen Hochkonjunktur das Budgetdefizit abzubauen, statt Steuerzuckerln zu verschenken, ist grundvernünftig.

Mit dieser Wirtschaftspolitik befindet sich Österreich im europäischen Mainstream und wird auch weiterhin gute Noten von der EU-Kommission, der OECD und anderen Beobachtern erhalten. Für das konjunkturelle Schönwetter, das Wirtschaftsforscher für heuer und 2008 prognostizieren, reichen diese Pläne aus.

Doch was passiert, wenn die internationale Konjunktur wieder abreißt, wie es alle paar Jahre die Regel zu sein scheint? Sind Gusenbauer und Molterer für Krisenzeiten gerüstet? Und kann dieses Programm helfen, dass Österreich seinen Spitzenplatz bei Wohlstand und Konkurrenzfähigkeit gegen die wachsende Herausforderung aus dem Osten - von Ungarn bis China - in den nächsten Jahren verteidigen kann?

Möglicherweise lautet die Antwort auf diese Fragen Ja, denn diese Regierung ist wirtschaftlich ebenso kompetent wie ihre verschiedenen Vorgänger. Aber einige Punkte bereiten Grund zur Sorge.

Da sind zum einen die vorgezeichneten Bruchlinien in der Koalition. Einen Tag nach Angelobung streitet Finanzminister Molterer bereits mit seinem Staatssekretär Matznetter über Privatisierungspläne. Ausgespart aus dem Programm wurde außerdem die Frage der Erbschaftssteuer: Wenn der Verfassungsgerichtshof wie erwartet die Steuerbegünstigung für Immobilien aufhebt, muss sich die Regierung entscheiden, ob sie auf die Erbschaftssteuer verzichtet (wie die ÖVP es will) oder Erben fair und ordentlich zur Kasse bittet (wie es die SPÖ zu Recht wünscht).

Ein rot-schwarzer Dauerclinch in solchen ideologischen Fragen könnte das Land wirtschaftspolitisch lähmen und in den internationalen Rankings zurückfallen lassen.

Das größte Versäumnis des neuen Programms - das räumen auch die Beteiligten ein - ist die fehlende Entlastung des Faktors Arbeit. Schlimmer noch: Zum Stopfen der Löcher in den Krankenkassen steigen die Lohnnebenkosten weiter. An dieser Aufgabe sind auch die letzten drei Kanzler gescheitert, was aber nichts daran ändert, dass die Finanzierung seines Sozialsystems früher oder später umgebaut werden muss, will man nicht die guten Jobs aus dem Land vertreiben. Wieder einmal dürfte es hier später werden.

Und schließlich steht die Regierung - passend für eine große Koalition - mit dem Wettbewerb auf Kriegsfuß. Wer im Jahr 2007 eine "Österreichische Stromlösung" anpeilt, der hat die Zeichen der Zeit - und die aus Brüssel - nicht erkannt. Hier hat offenbar eine Allianz von Landesfürsten das Sagen, die ihre eigene Macht ausbauen wollen.

Stichwort Bundesländer: Wer sich niedrigere Steuern ohne Qualitätsverlust bei den staatlichen Leistungen wünscht, der muss bereit sein, auf Beamte zu verzichten - vor allem in den Ländern. Wie seine Vorgänger verspricht auch dieses Programm eine tief greifende Föderalismusreform; doch es fordert nichts, was den Ländern weh tun könnte. Dieser Weg des geringsten politischen Widerstands wird Österreich langfristig noch viel Substanz kosten. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.01.2007)