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Linz - Der Psychiater Julius Wagner-Jauregg, dessen Geburtstag sich am 7. März zum 150. Mal jährt, entzweit auch heute noch die Experten. Immer wieder flammte in den vergangenen Jahren die Diskussion auf, ob der Namensgeber der Linzer Landesnervenklinik eine "historisch belastete Persönlichkeit" sei oder nicht. Für die einen ist er ein Antisemit und Verfechter der Rassenhygiene, für die anderen schwamm er lediglich im "Mainstream" der damaligen wissenschaftlichen Diskussion.

Eine von der Oberösterreichischen Landesregierung eingesetzte Kommission hatte den Nobelpreisträger Ende 2005 von der historischen Belastung freigesprochen. Der ehemalige wissenschaftliche Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW), Wolfgang Neugebauer, und der Historiker Peter Schwarz, ebenfalls vom DÖW, kamen in einem weiteren Gutachten allerdings zu einem anderen Schluss: Wagner-Jauregg sei "nicht als Namensgeber für eine Gesundheitseinrichtung der Zweiten Republik" geeignet.

Protagonist der Rassenhygiene?

Ein Streitpunkt betrifft den Vorwurf, Wagner-Jauregg sei ein Protagonist der Rassenhygiene gewesen. Das oberösterreichische Gutachten befand, seine Beiträge würden lediglich im "Mainstream der damaligen internationalen wissenschaftlichen Diskussion" liegen. Anders das DÖW: Der Nobelpreisträger habe sich schon sehr früh für die nationalsozialistische Position zur Eugenik engagiert. In einem Artikel aus dem Jahr 1931 sei er beispielsweise für die Sterilisierung psychisch kranker Menschen - ebenso wie von Verbrechern - eingetreten.

Für Diskussionen sorgt außerdem Wagner-Jaureggs Verhältnis zur NSDAP: Er hatte kurz vor seinem Tod im Jahr 1940 einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt, dieser war jedoch abgelehnt worden. Die oberösterreichische Kommission befand, dass der Psychiater daher nie bei der Partei gewesen und folglich nicht belastet sei. Die Experten des DÖW halten entgegen, Wagner-Jauregg sei Mitglied bei der rassistisch-antisemitisch orientierten Großdeutschen Volkspartei gewesen, deren wichtigste Programmpunkte der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich und ein rassenantisemitisches Gedankengut gewesen wären.

Neben der Linzer Landesnervenklinik sind auch eine Straße und ein Gemeindebau in Wien sowie eine Straße und ein Platz in Graz nach dem umstrittenen Psychiater benannt. Die Grazer Landesnervenklinik, die im Volksmund immer "Wagner-Jauregg-Platz links" hieß, trägt allerdings seit 1992 offiziell den Namen Sigmund Freuds.

>>>> Biografisches

Nach der Matura begann der Oberösterreicher Julius Wagner-Jauregg 1874 mit seinem Medizin-Studium in Wien, dem damaligen Mekka der Heilkunst in Europa. 1880 erfolgte die Promotion. Unmittelbar darauf arbeitete der Arzt am Institut für Pathologie und kam schließlich als Assistent an die "Niederösterreichischen Landesheil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke" in Wien.

1885 erfolgte bereits die Habilitation in Psychiatrie und Neurologie. Nur vier Jahre später folgte Wagner-Jauregg einer Berufung an die Universitätsklinik in Graz, wo er Chef der Klinik für Neuropsychiatrie wurde. Die Karriere verlief steil. 1893 kehrte der Psychiater nach Wien als Professor an die NÖ-Landesanstalt für geistig Kranke zurück, wurde dann Vorstand der I. Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien, übernahm in der Folge auch die II. psychiatrische Universitätsklinik und leitete beide unter einer organisatorischen Einheit ("Psychiatrie und Neuropathologie) ab 1905 (bis 1911). Darauf wechselte er zurück an seine vorherige Arbeitsstelle.

Somatische Medizin

Psychiatrie und Neurologie hatten damals ausgesprochen beschränkte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Während Sigmund Freud mit seiner Psychotherapie in der Medizin vor allem neurotische Störungen zu behandeln versuchte - seine Lehre ist immer weit mehr als eine bloße Behandlungsform gewesen -, setzte Wagner-Jauregg auf eine strikt somatische Medizin.

Vor allem zwei Entdeckungen machten den Psychiater und Neurologen weltbekannt: Bereits 1887 veröffentlichte er ein Werk "Über die Einwirkung fieberhafter Erkrankungen auf Psychosen". Immer wieder hatte er beobachtet, dass hoch fieberhafte Erkrankungen einen positiven Effekt auf den Zustand der Patienten hatten.

Impfung

Daraus entwickelte Wagner-Jauregg schließlich eine Impfung mit Malaria-Erregern, um Patienten mit Paralyse im Endstadium einer Syphilis-Erkrankung durch die künstlich hervorgerufenen Fieberschübe zu behandeln. 1927 wurde ihm "für die Entdeckung der therapeutischen Bedeutung der Malariaimpfung bei progressiver Paralyse" der Nobelpreis verliehen. "Verhütung und Behandlung progressiver Paralyse durch Impfmalaria" (1931) und "Mechanismus der Wirkung der Infektions- und Fiebertherapie" (1935), lauteten dazu die wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Die Fiebertherapie für die Paralyse bei Syphilis-Patienten erübrigte sich - Gott sei Dank - nach einigen Jahren. Die Erfindung von antibakteriell wirksamen Substanzen wie zunächst das Salvarsan und vor allem das Penicillin machten die Geschlechtskrankheit heilbar.

Schilddrüsenerkrankungen

Die zweite Großtat Wagner-Jaureggs war die Erforschung der Schilddrüsenerkrankungen. Daraus entstand das Prinzip der Prophylaxe und Behandlung von Kropf und Kretinismus durch die Gabe von Jod (Vorbeugung durch jodiertes Speisesalz oder jodiertes Trinkwasser).

1928 ging Wagner-Jauregg in Pension, arbeitete aber bis zu seinem Tod am 27. September 1940 in Wien weiterhin wissenschaftlich. Für immer wiederkehrende Diskussionen sorgt Wagner-Jaureggs unbestreitbare politische Nähe zum nationalen bzw. nationalsozialistischen Gedankengut. (APA)