Angela Merkel ist hörbar verschnupft: "Ich hätte mir ehrlich gesagt gewünscht, dass wir das in der Koalition beraten", sagt die deutsche Bundeskanzlerin zu den Kinderbetreuungsplänen der SPD. Doch wie Millionen andere Deutsche auch, hat Merkel von den Vorhaben ihres Koalitionspartners nur aus der Zeitung erfahren.

Und was da zu lesen war, gefällt der Union nicht. SPD-Chef Kurt Beck möchte ab 2010 allen Eltern einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung für Kinder ab dem ersten Geburtstag verschaffen. Die jährlichen Kosten von rund 4,2 Milliarden Euro will die SPD durch Umschichtungen aufbringen. Zum einen soll die für 2009 geplante Erhöhung des Kindergeldes (entspricht der österreichischen Familienbeihilfe) um zehn Euro wegfallen, zum anderen will die SPD beim Ehegattensplitting steuerliche Vorteile für besserverdienende Eheleute und Eltern kappen. Eine Familie mit einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro müsste eine steuerliche Mehrbelastung von 3300 Euro verkraften; wer 45.000 Euro jährlich verdient, hätte nur 271 Euro zusätzliche Steuerlast, rechnet Beck vor.

Es ist kein Zufall, dass die Sozialdemokraten ihre Pläne präsentierten, ohne zuvor mit der Union gesprochen zu haben. Denn einige in der SPD sind wegen der Aktivitäten von Familienministerin Ursula von der Leyen schon nervös. Die CDU-Politikerin fordert zum Schrecken vieler eigener Parteifreunde neuerdings die Verdreifachung der Kindergartenplätze auf 750.000 und "wildert" damit auf dem Terrain der SPD, die sich zunehmend unter Druck fühlt - auch wenn von der Leyen noch überhaupt kein Finanzierungskonzept vorgelegt hat.

Nun, da die Union Kenntnis von den SPD-Plänen hat, wettert sie auch gleich kräftig dagegen. Die Sozialdemokraten zeigten wieder ihr "altes Gesicht als Steuererhöhungs- und Umverteilungspartei", kritisiert Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion. Auch Merkel selbst meint, sie sei "sehr skeptisch bis ablehnend, dass wir sozusagen Erhöhung von Kindergeld und Ehegattensplitting jetzt zur Disposition stellen". Denn Familien sollten nicht herangezogen werden, um andere Familien zu finanzieren. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2007)