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Mitten in der Nacht, Kondom gerissen, Pille vergessen, was tun? Seit dem Jahr 2000 ist die "Pille danach" in österreichischen Apotheken erhältlich, die den Eisprung verzögert, bzw. verhindert. Nach wie vor ist das Präparat bei uns jedoch nur auf Rezept erhältlich. Das bedeutet im Notfall: ab in die nächste Klinik, Rezept holen, Apotheke aufsuchen.

Für Frauen, die nicht schwanger werden wollen, beginnt damit ein Wettlauf mit der Zeit: 72 Stunden sind es, binnen derer die "Pille danach" eingenommen werden muss, um eine Schwangerschaft zu verhüten. Je früher sie eingenommen wird, desto zuverlässiger die Wirkung. Und trotzdem gelingt es Frauen nicht immer beim ersten Anlauf, im ersten Spital, an das notwendige Rezept zu kommen: Nach einer Untersuchung der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (OEGF) 2006 weigern sich 28 Prozent der heimischen Kliniken mit gynäkologischen Abteilungen, Rezepte für die Notfallverhütung auszustellen und verweisen die Patientinnen auf andere Spitäler oder GynäkologInnen. Der so genannte "Notfallparagraph" des Gesundheitsministeriums erlaubt den Apotheken zwar, die Pille danach in besonderen Fällen auch ohne Rezept abzugeben. Jedoch sind die Frauen damit noch immer der Willkür von Apothekerin oder Apotheker ausgeliefert - was in der Großstadt, vor allem in Wien, keine so große Rolle spielen mag, in ländlichen Gebieten aber besonders für junge Frauen zur schwer überwindbaren Hürde werden kann.

Teure Untersuchung - aber überflüssig

Rund die Hälfte der Spitäler, die zur Abgabe eines Rezeptes bereit sind, binden dies wiederum an einen Schwangerschaftstest oder eine Untersuchung, die bis zu 160 Euro kosten kann, von der Krankenkasse nicht übernommen wird - und zudem überflüssig ist, wie die Gynäkologin und Präsidentin der OEGF, Dr. Claudia Linemayr-Wagner, in der medizinischen Fachzeitschrift "Ärzte Krone" versichert: "Da die Pille danach bei einer bestehenden Schwangerschaft keinen negativen Effekt hat, ist auch eine entsprechende Untersuchung nicht nötig."

Neues Modell angedacht

Trotz alledem gibt es nach wie vor kein Signal aus dem Gesundheitsministerium, dass die "Pille danach", wie bereits in 25 anderen europäischen und 45 Ländern weltweit, auch in Österreich bald rezeptfrei zu haben sein könnte. Seit Dezember 2005 liegt bei der Rezeptpflichtkommission ein entsprechender Antrag von Gerot Pharmazeutika, dem Hersteller der Notfallspille "Vikela" vor, eine Entscheidung wurde bis jetzt jedoch keine getroffen. Das nächste Mal soll die Kommission Ende März/Anfang April tagen.

Auf Anfrage von dieStandard.at hieß es aus dem Büro von Gesundheitsministerin Kdolsky, dass das Ministerium derzeit an einem Modell arbeite, das "die rasche Verfügbarkeit der ‚Pille danach’ bei gleichzeitiger medizinischer Betreuung und psychologischer Unterstützung in dieser Ausnahmesituation für Frauen sicherstellt." Nach dem Motto "Gespräch statt Beipackzettel" wolle man sicherstellen, dass jede Frau, die das möchte, im Notfall an das Präparat kommen kann, dabei jedoch auch eine Ansprechperson hat, die für Fragen und Zweifel zur Einnahme zur Verfügung steht. Allerdings wolle man auch vermeiden, dass durch die "Pille danach" die "Verhütung davor" vernachlässigt wird - sie solle "kein Gegengewicht zu klassischen Verhütungsmethoden sein und damit die Infektion mit sexuell übertragbaren Krankheiten fördern."

In Beratung investieren - vorher

Für Sylvia Groth, Geschäftsführerin des Frauengesundheitszentrums in Graz, bedeutet das vom Ministerium angedachte Modell "Beratungsbedarf schaffen, wo keiner ist". Die Sorge, ungewollt schwanger zu werden, sei bei den meisten Frauen in der Notfallssituation viel größer, als die Bedenken, die "Pille danach" einzunehmen, sagt sie im Gespräch mit dieStandard.at. Viel besser sei es, in Beratungsmaßnahmen und –stellen zu investieren, die schon im Voraus ausreichend darüber informieren und aufklären, und: Frauen die "Pille danach" rezeptfrei zur Verfügung zu stellen, sodass sie diese im Falle des Falles ohne Bedenken und Zeitverzögerung mit einem Griff in die Hausapotheke einnehmen könnten. Auch die Sorge des Gesundheitsministeriums um die Vernachlässigung der "Verhütung davor" sei unbegründet: Studien aus Frankreich und Großbritannien, wo die ‚Pille danach’ seit 2002 rezeptfrei, also "over the counter" (OTC), erhältlich sei, haben ergeben, dass die Zugänglichkeit ohne Rezept nicht zu einer Steigerung ihrer Nutzung, zu einer Steigerung von ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder zu einer geringeren Benutzung von zuverlässigen Verhütungsmethoden führt.

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO schreibt in einer Empfehlung, dass die "Pille danach" effektiv ist und von Frauen generell gut vertragen wird. Als häufigste Nebenwirkungen, die auftreten können, aber nicht müssen, gibt die Pharma-Firma Gerot für das österreichische Präparat "Vikela" Beschwerden wie Übelkeit, Kopfschmerz, Ziehen im Unterbauch, Schwindel oder Spannungsgefühl in der Brust an. Diese würden aber bei den meisten Frauen innerhalb von 48 Stunden nach Einnahme wieder verschwinden. Eventuell auftretende Schmier- oder Zwischenblutungen könnten auch bis zur folgenden, manchmal verzögerten, Menstruation anhalten.

Mangel an Information - auch bei Fachleuten

In puncto Information liege derzeit aber noch viel im Argen: So wüssten sehr viele Frauen immer noch nicht, dass es die "Pille danach" überhaupt gibt. "Gerade junge Frauen, die befürchten, schwanger zu sein, warten bis zum Zeitpunkt der nächsten Periode, bevor sie Hilfe oder Beratung suchen – mit dem Wissen um die ‚Pille danach’ könnten viele ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen verhindert werden."

Aber nicht nur bei den Frauen, sondern selbst bei Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern gäbe es noch genügend Aufklärungsbedarf zur "Pille danach" - vor allem, was deren genaue Wirkung betrifft, denn: "Viele glauben nach wie vor, dass diese Pille eine Abtreibung bewirkt, was überhaupt nicht der Fall ist – der Wirkstoff Levonorgestrel verhindert oder verzögert lediglich den Eisprung. Hat sich eine Eizelle bereits eingenistet, ist die 'Pille danach' völlig wirkungslos, auf eine bereits bestehende Schwangerschaft hat sie keinen Einfluss. Sie ist also keinesfalls eine 'Abtreibungspille'."

"Sexualität ist mehr als nur Verhütung"

Für Sylvia Groth geht es bei der rezeptfreien Abgabe der "Pille danach" aber auch um die Verwirklichung der sexuellen und reproduktiven Rechte der Frauen, wie sie schon auf der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 gefordert wurden. Die Aufklärung darüber müsse Teil einer, institutionell unabhängigen, sexualpädagogischen Infokampagne vor allem schon an den Schulen sein, denn: "Sexualität ist ja viel mehr als nur Verhütung."

Ähnlich sieht das auch DDr. Johannes Huber von der Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie am AKH Wien. Auf die Frage, ob die Freigabe der "Pille danach" für ihn denkbar und sinnvoll wäre, antwortete er in einem Round-Table-Gespräch der Fachzeitschrift "Medical Tribune", dass Information sehr wichtig wäre, aber: "Sexualität ist mehr als Aufklärung. Es geht nicht nur um die Information der Mechanik oder die beste Verhütung. Sexualität beinhaltet auch den personalen Akt der Kommunikation zwischen zwei Menschen. Man übernimmt in der Sexualität ja auch die Verantwortung für den anderen Menschen. Das wird meist viel zu wenig berücksichtigt." (isa/ die Standard.at, 26.2.2007)