Warschau - Die moderate Bauernpartei PSL will Wähler unter der polnischen Landbevölkerung zurückgewinnen, die die radikale Samoobrona Andrzej Leppers in den vergangenen Jahren an sich gebunden hat. Die PSL versuche, den erfolgreichen Weg Leppers zu wiederholen, und gründe nun eine neue Bauerngewerkschaft, berichtete die Zeitung "Rzeczpospolita" am Freitag. Wenn das gelingt, könnte die Partei nach der nächsten Parlamentswahl eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung spielen.

Von PSL-Politikern koordinierte Gründungstreffen der neuen Gewerkschaft fanden demnach bereits in mehr als zehn von 16 Wojewodschaften statt. "Das Interesse an unserer Initiative ist auf dem Land enorm", sagte PSL-Vizechef Janusz Piechocinski gegenüber der Zeitung. Politiker der Partei freuten sich, dass sich die Rollen vertauschten und Lepper, der unter anderem dank der verbreiteten Kritik an der PSL-Politik als Vizepremier und Landwirtschaftsminister in die Regierung berufen wurde, heute von Bauern beschimpft werde. "Die Menschen sehen, dass Lepper als Landwirtschaftsminister wenig für sie tut und die jetzigen Gewerkschaften der Regierung in die Hand spielen, und deshalb möchten sie sich in einer neuen Gewerkschaft organisieren", so Piechocinski.

Landbevölkerung unzufrieden

Tatsächlich scheint die Landbevölkerung mit der Politik Leppers unzufrieden zu sein. Das zeigten auch die Ergebnisse der Kommunalwahl vom Herbst, bei der die Samoobrona mit 6,6 Prozent in den Wojewodschafts-Parlamenten eine Niederlage erlitten und die PSL mit 14,8 Prozent eine unerwartet hohe Unterstützung erfahren hatte. Für den 1. März kündigten die Schweinefleisch-Produzenten aus Kujawien und Großpolen einen Protest in Warschau an. Sie möchten nicht mit Lepper, sondern mit Premier Jaroslaw Kaczynski und Parlamentspräsident Marek Jurek sprechen. Sie sind der Auffassung, dass Lepper sie betrogen hat, als er versprach, dass die Regierung bis Ende Februar 80 Tonnen Schweinefleisch aufkaufen werde, wobei bisher jedoch nur ein Dutzend Tonnen aufgekauft wurden.

Die nach der politischen Wende aus der kommunistischen Bauernpartei ZSL neugegründete PSL war Anfang der 90er Jahre eine entscheidende Macht auf dem Land. Die Partei verfügte über eine 100-jährige Tradition und 150.000 Mitglieder und war in allen Berufsverbänden der Bauern sowie in der lokalen Verwaltung vertreten. Lepper drang mit der Gründung der radikalen Samoobrona-Gewerkschaft, die durch landesweite Straßenblockaden berühmt wurde, in diesen Einflussbereich ein. Auf dem Fundament der Gewerkschaft schuf Lepper dann die Partei unter dem gleichen Namen, die 2006 in die Regierungskoalition eintrat.

Die angestrebte Stärkung der PSL dürfte auch für die oppositionelle PO, für die die PSL nach derzeitigem Stand der einzige akzeptable Koalitionspartner wäre, von höchster Bedeutung sein. Allein wäre die größte Oppositionspartei des Landes nach einem Erfolg bei Parlamentswahlen aller Voraussicht nach nicht im Stande, eine Regierung zu bilden. Ein gutes Wahlergebnis der Bauernpartei würde Beobachtern zufolge einer Koalition von PO und PSL, die bereits bei der Kommunalwahl ihre politische Zusammenarbeit begannen, Chancen für eine Regierungsmehrheit geben. Sonst wäre die PO entweder auf eine Zusammenarbeit mit der Wahlkoalition "Linke und Demokraten" oder auf eine als schwierig gewertete Große Koalition mit der rechtskonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) angewiesen. (APA)