Der jüngste Bericht der Wiener Atomenergiebehörde IAEO gibt auf dem ersten Blick jenen Stimmen Recht, die eine härtere Gangart gegenüber Teheran fordern. Die iranische Führung hat sich vom internationalen Druck bisher überhaupt nicht beeindrucken lassen, sondern seine Anstrengungen zur Urananreicherung beschleunigt. Während die Staatengemeinschaft diskutiert und zögert, nähert sich Schritt für Schritt die islamische Republik ihrem Ziel einer eigenständigen Atomindustrie, die jederzeit als Sprungbrett für den Bau von Kernwaffen dienen kann.

Aber es gibt im Iran auch eine andere Realität, über die in den vergangenen Wochen immer öfter berichtet worden ist. Der Unmut über Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad wächst bei den Eliten des Landes und im Volk, was sich in der Niederlage seiner Parteigänger bei den Wahlen zum Expertenrat gezeigt hat. Die Wirtschaftslage verschlechtert sich fast täglich - eine Folge einer populistischen, aber unfähigen Regierungspolitik und des seit dem Vorjahr gesunkenen Ölpreises.

Verstärkt werden diese Probleme durch die internationale Isolation des Landes, die fehlenden Auslandsinvestitionen und der Druck der USA auf die Großbanken, keine Geschäfte mit iranischen Stellen abzuschließen. Für diese Probleme wird zu Recht Ahmadi-Nejads radikale Außenpolitik verantwortlich gemacht.

Auch nüchterne Beobachter hegen daher die Hoffnung, dass diese wirtschaftlichen und innenpolitischen Verwerfungen der iranischen Führung die Lust an ihren nuklearen Ambitionen verleiden könnten. Ein Atomarsenal bringt keinen Wohlstand und schafft keine Jobs für die Millionen arbeitsloser Jugendlicher. Von übersteigertem Nationalismus haben die meisten Iraner ohnehin die Nase voll.

Diese optimistische Rechnung kann aufgehen - oder auch nicht. Wenn ein nuklear bewaffneter Iran tatsächlich eine akute Bedrohung für den Weltfrieden darstellt, dann darf sich die Staatengemeinschaft nicht allein auf die unberechenbare Dynamik iranischer Innenpolitik verlassen.

Aber was tun? Die Verhängung von Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat, was nach dem IAEO-Bericht trotz russischer Bedenken etwas wahrscheinlicher geworden ist, sind sicherlich nützlich, wobei auch hier Vorsicht geboten ist. Wenn die Iraner beginnen, für ihre missliche Lage die Außenwelt und nicht mehr ihre Führung verantwortlich zu machen, dann kommt es zu einer breiten Solidarisierung mit Ahmadi-Nejad - also genau das Gegenteil davon, was die Welt will.

Noch kontraproduktiver sind in dieser Hinsicht die aktuellen Kriegsdrohungen der USA - vor allem, weil kein seriöser Militärexperte weiß, wie mit Luftangriffen das iranische Atomprogramm gestoppt werden kann. Und was von rosigen Erfolgsszenarien der US-Militärs zu halten ist, das weiß man spätestens seit dem Irakkrieg. Mögen amerikanische und israelische Politiker anderes behaupten - eine realistische Militäroption für den Iran gibt es nicht.

Für eine Strategie des Abwartens spricht, dass der Iran noch viele Jahre von einer einsetzbaren Atomwaffe entfernt ist. Die Urananreicherung ist hinter dem in Teheran verkündeten Zeitplan zurückgefallen, und selbst das deutlich weiter fortgeschrittene Nordkorea ist noch lange keine Atommacht - der Kracher vom vergangenen Sommer war bestenfalls ein gescheiterter Nukleartest.

Schließlich wäre auch das Scheitern der Diplomatie an sich keine Katastrophe: Selbst ein nuklear bewaffneter Iran würde sich hüten, Israel anzugreifen oder Bomben an Terrorgruppen weiterzugeben. Bei aller Radikalität haben die Mullahs stets Grenzen der Vernunft eingehalten.

Doch wer diese Erkenntnis - wie zuletzt der französische Staatschef Jacques Chirac - offen ausspricht, der untergräbt den internationalen Druck auf Teheran. Das Ziel muss bleiben, dass der Iran seine Urananreicherung stoppt oder zumindest unter UN-Aufsicht stellt. Solange daran nicht gerüttelt wird, ist es mit friedlichen Mitteln erreichbar. (Eric Frey, DER STANDARD, Printausgabe, 24./25.2.2007)