Marlies Buxbaum

Foto: Standard
STANDARD: Warum pflegen so viele Manager diese ausgeprägte Marketing- und Betriebswirtschafts-Sprache?

Marlies Buxbaum: Die gehört dazu und ist Teil des Spiels geworden. Man zeigt, dass man die neuesten Termini beherrscht. Der Gruppendruck ist meist stärker als der Mut zu sagen: Das ist eigentlich hohl. Gerade Manager, vor allem im Mittelbau, orientieren sich nach oben und suchen ständig nach Geheimrezepten des Weiterkommens. Ich kritisiere es massiv, dass man diesen Menschen ständig vermittelt, es gäbe diese "Kochbuchanleitungen" des Erfolgs. Viele kommen natürlich auch gut damit durch, denn Powerpoint und der entsprechende Speak beeindrucken, weil man in der Regel 90 Prozent Auftritt und zehn Prozent Inhalt wahrnimmt. Die Frage bleibt: Where’s the beef?

STANDARD: Wann ist das alles in Mode gekommen?

Buxbaum: Das ist schwierig zu sagen, aber ich sehe eine Entwicklung des Ausbildungssystems parallel laufen. Heute glauben viele, sie müssen mit Krampf irgendeine Hochschul- oder Seminarausbildung machen, und ich befürchte, dass dadurch viel an Originalität verloren geht, weil alles genormt wird. Ich habe in Assessment-Centers oft erlebt, dass mir Menschen in exakt denselben Floskeln gesagt haben, wie authentisch sie sind. Viele glauben, dass sie dadurch an Wirkung gewinnen oder Leistung ersetzen können – an beides glaube ich nicht.

STANDARD: Also die Chefs eignen sich diesen Sprech mühsam an, und die Mitarbeiter verstehen im Zweifel nicht, was ihr Chef ihnen sagt. Das klingt nach Reibungsverlusten.

Buxbaum: Man muss diesen Sprech heute schon drauf haben, aber oft bleibt die Nachhaltigkeit auf der Strecke. Meine Erfahrung zeigt auch, dass Manager, die ganz oben angekommen sind, dann wieder sehr gut und sehr einfach kommunizieren können, weil sie sich gelassener fühlen.

STANDARD: Was sollen Chefs sprachlich beachten?

Buxbaum: Sie sollen viel mehr zuhören! Ich denke, wenn man diese Bereitschaft mitbringt, entsteht erst eine echte Kommunikation mit den Mitarbeitern. Wichtig ist es, mit Fragen zu führen. Terminologie und Sprachbilder sind wichtig – und auch, ob man in festgefahrenen oder offenen Mustern kommuniziert.

STANDARD: Aber es gibt Hierarchien in Unternehmen. Ist ein Befehlston automatisch schlecht?

Buxbaum: Es gibt diese Stromberg-Tasse: Büro ist Krieg! Konzerne haben heute tatsächlich durchaus militärische Strukturen. Es geht es um Befehlshierarchien und mitunter auch um einen Befehlston. Das sprachliche Klima ist sicher rauer geworden. Chefs können sich mehr erlauben, weil Mitarbeiter weniger Optionen am Markt haben. Aber wenn die Beziehung zum Mitarbeiter stimmt, ist auch einmal ein Befehlston nicht wirklich das Problem. Schwierig wird es aber, wenn Chefs mit der Macht grundsätzlich nicht behutsam umgehen.

STANDARD: Dann droht die innere Emigration der Mitarbeiter.

Buxbaum: Wirklich emigrieren kann heute kaum mehr einer. Dazu muss zu viel Leistung erbracht werden. Aber was dann fehlt, ist die Freude, wenn Menschen zusammenarbeiten.

STANDARD: Aber Chefs werden in der Regel wenig bis gar nicht kritisiert?

Buxbaum: Aber sie können um Feedback bitten, doch diese Chefs sind äußerst dünn gesät. Viele, die um Feedback fragen, wollen nur Positives hören. Und ehrlich: Wer als Mitarbeiter das Muster durchbricht und offen kritisiert, lebt gefährlich – gerade bei Chefs, die selbst sehr unter Druck sind.

STANDARD: Schweigen ist auch eine Form der Kommunikation. Sind schweigsame Chefs erfolgreiche Chefs?

Buxbaum: Wer schweigt, wird für inkompetent gehalten. Das kann ich mir nur leisten, wenn ich in einer abgehobenen Position bin: Der Guru darf schweigen. Ich würde das meiner Erfahrung nach gerade Frauen in Führungspositionen nicht raten. Oft kommen geschliffene Mitarbeiter aus dem Marketing oder aus der Werbung weiter als stille, zurückhaltende Menschen, wie zum Beispiel Techniker, deren Leistungen für die Firma vielleicht um ein Vielfaches wichtiger sind. Das finde ich zunehmend problematisch an unserer Selbstvermarktungs-Kultur.

STANDARD: Vieles wird über Körpersprache kommuniziert. Darf nur ein Chef die Füße auf den Tisch legen?

Buxbaum: Als ich eine junge Führungskraft war, hat meine Sekretärin ihre Füße auf den Tisch gelegt. Sämtliche männlichen Kollegen, die das selbst immer getan haben, haben mir Führungsschwäche vorgeworfen, weil ihre Chef-Attitüde damit torpediert war. Man kann vieles von Sitzordnungen und Körperkontakten ablesen. Aber auch da wäre ich vorsichtig, weil heute viele Seminare besuchen und dort zum Beispiel das 'Spiegeln' lernen, also wie man durch Imitieren der Körperhaltung Sympathien hervorruft. Ich möchte da manchmal rufen: "Bitte hören Sie auf damit!" Mir kommt vor, als hätten viele eine Schraube eingebaut, an der man dreht, und dann kommen die perfekten Haltungen und die schönen Worthülsen raus.

STANDARD: Arbeitszeugnisse beinhalten Sprach-Codes, gibt es Sprachregelungen auch im Chef-Speak?

Buxbaum: Das wird tatsächlich angewendet. Solche Sprachcodes sollte man auch beherrschen. "Wir sind grundverschieden" heißt im Prinzip: "Ich bin ok, und du bist es nicht." Oder: "Wir werden über Ihren Vorschlag nachdenken" heißt: "Sie hören nie wieder was davon!"

STANDARD: Chefs loben tendenziell wenig!

Buxbaum: Was uns fehlt, ist eine Feedback-Kultur. Wenn Lob inflationär eingesetzt wird, wirkt es kontraproduktiv. Ich beobachte auch, dass in manchen Firmen Konflikte ängstlich unter den Teppich gekehrt werden und der gesunde Austausch über Positives wie Negatives nicht stattfindet.

STANDARD: Haben Sie Tipps für einen sprachlichen Umgang mit dem Chef?

Buxbaum: Mitarbeiter brauchen ein Gespür für die Unternehmenskultur, für die informellen Regeln. Und sonst: Lernen durch Beobachten, Abschauen und raus aus dem eigenen Schema – immer im geeigneten Rahmen. Mit positivem Feedback für den Chef hält man sicherlich die Karriere leichter offen. Überforderte Chefs umgeben sich gerne mit Jasagern: gemütlich für sie selbst, aber gefährlich für das Unternehmen! (Mia Eidlhuber, Der Standard, Printausgabe, 24.2.2007)