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Foto APA/epa/Mikhail Klimentyev
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wird nachgesagt, dass ihm die wirtschaftliche Gesundung des Landes über alles gehe. Selbst wenn dies stimmt, kamen doch häufig Zweifel an den Methoden auf. Der wuchernde Staatseinfluss in der Ökonomie und die grassierende Oberaufsicht in den Konzernen durch Beamte und Geheimdienstler sind gerade in Russland keine Garantie für eine effizientere Betriebsführung. Betrachtet man die jüngste Personalrochade im Kreml, hat Putin den Spieß nun umgedreht. Er betraute Anatoli Serdjukow mit dem Verteidigungsressort.

"Eine Person mit Erfahrung im ökonomischen Sektor" werde gebraucht, erklärte Putin. Dass seine Wahl auf Serdjukow fiel, löste Fassungslosigkeit in den Offizierskasinos aus. Mit Militärischem hatte der 45-Jährige bisher nichts zu tun. Serdjukow kommt aus der Möbelbranche. Seit 1985 hat er mit Sofas und Schränken gehandelt - bei Lenmebeltorg, später bei "Mebel-Market". Das Geschäft hat er noch auf dem Institut für Sowjethandel in St. Petersburg gelernt, als zweite höhere Bildung wählte er, wie Putin, die Juristerei.

Es könnte sie gewesen sein, die ihn später in den Staatsdienst wechseln ließ. Andere meinen, sein Schwiegervater war es, der als Vizechef der russischen Steuerverwaltung vorstand.

Serdjukow stieg bei den Steuerbehörden ein, wurde 2001 Vizechef der Steuerinspektion in St. Petersburg und geriet 2004 auf die Welle, die in den vergangenen sieben Jahren zahlreiche St. Petersburger Politaufsteiger zu ihrem Landsmann Putin nach Moskau getragen hat. Serdjukow übernahm die Leitung der russischen Steuerbehörde. Was diese und die Möbel mit Streitkräften zu tun haben, fragen sich die Spitzen der Armee dieser Tage. Schon mit Serdjukows Vorgänger Sergej Iwanow hatten sie ihre Probleme, weil er nicht aus der Armee, sondern aus dem Geheimdienst kam. Bei Serdjukow reichte nun wohl auch die gemeinsame Herkunft mit Putin aus St. Petersburg.

Die Armee auf Vordermann zu bringen ist das Credo des Kremlchefs. Vervierfacht hat er das Verteidigungsbudget seit 2001 auf zuletzt 24 Milliarden Euro. Die Ausgaben sollen weiter steigen. Der Aufbau neuer Waffensysteme braucht eine gewisse Garantie, dass zumindest der Großteil des Geldes nicht im Korruptionssumpf stecken bleibt.

Zusätzlich steht vor Serdjukow aber die Reform der Streitkräfte: Die Offiziere und Ausbildner sind unterbezahlt und frustriert, die männliche Jugend zahlt Unsummen, um der Einberufung zu entgehen.

Das Know-how jenseits der Finanzen, das Serdjukow fehlt, liegt bei Generalstabschef Juri Balujewski. Dessen Hoffnung auf Machtzuwachs dürfte sich nun erfüllen: Zuletzt wetterte er lautstark gegen die Nato-Erweiterung und stellte Abrüstungsvereinbarungen infrage. (Eduard Steiner/DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2007)