Das Auto der Zukunft aus Recyclingmaterial, gebaut am Computer mittels spezieller Software.

Foto: DER STANDARD/Hendrich, Bildbearbeitung: Pass
Eine neue Software, entwickelt vom Kompetenzzentrum KERP und der TU Braunschweig, soll die Autoherstellung grüner machen: Das Fahrzeug wird am Bildschirm abgebildet, man simuliert die Recyclingfähigkeit jedes einzelnen Bauteils – und das sind immerhin bis zu 4000.

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Prototypen haben bald ausgedient. Die zeit- und kostenintensiven ersten Entwurfumsetzungen werden immer öfter durch Computersimulationen ersetzt wie in der Abteilung Energiemanagement, Umwelt und Materialien bei Magna Steyr. Dort erproben Hannes Rabitsch und sein Team die Software Prodtect als Werkzeug für umweltgerechte Produktentwicklung. Die Erwartungen: „Wir sparen dadurch Zeit und Kosten, können auf Änderungen spontan reagieren und aktualisieren.“ Zurzeit wird die Versuchsphase ausgewertet, noch können die Erfahrungen nicht in Zahlen gefasst werden.

Ursprünglich wurde Prodtect vom KERP, dem Kompetenzzentrum Elektronik und Umwelt, und der TU Braunschweig als Recyclingsoftware für die Elektronikbranche entworfen, nun wurde es zu einem „ganzheitlichen Design-of-Environment-Werkzeug weiterentwickelt“, sagt Christoph Herrmann, wissenschaftlicher Leiter des KERP: „Es ist für Fahrzeug- und Bauteilentwickler auch schon in frühen Entwicklungsphasen ein wichtiges Entscheidungswerkzeug“.

In der Praxis heißt das: Das Fahrzeug wird auf dem Bildschirm als virtuelles Produktmodell abgebildet, man simuliert die Recycling- und Demontagefähigkeit jedes einzelnen Teils, eine Herausforderung, besteht doch ein Auto – je nach Fahrzeugtyp – aus 3000 bis 4000 Bauteilen und verschiedenen Materialien. Metalle machen 65 bis 75 Gewichtsprozent aus, Kunststoffe rund 20 Prozent – Tendenz steigend, dazu kommen Elektronikteile, Textilien und Leder.

Die Techniker ergänzen die Fahrzeugstücklisten mit Material- und Gewichtsdaten, mit Werkstoffinformationen aus internationalen Datenbanken. „Wir importieren alle diese Daten in Prodtect“, sagt Hannes Rabitsch, „dazu kommen noch die jeweiligen Geometriedaten, die darüber informieren, wie zugänglich ein Bauteil ist, ob es geclipst oder geschraubt ist.“ Dann werden die Szenarien gewählt, Quoten- oder Kostensimulation. Christoph Herrmann nennt mögliche Fragestellungen: „Was passiert, wenn ich mehr demontiere? Was passiert, wenn diese oder jene Technologie schon auf dem Markt wäre?“ Der große Vorteil sei, sagt Hermann, „dass wir das Tool in Zukunft entwicklungsbegleitend mit tagesaktuellen Konstruktionsdaten anwenden können“. Hannes Rabitsch: „Bislang waren Änderungen Handarbeit.“

Der europäische Gesetzgeber schreibt Recyclingquoten von 80 Prozent und Verwertungsquote von 85 Prozent des Fahrzeuggewichts vor, in den nächsten neun Jahren sollen die Quoten auf 85 Prozent (Recycling) und 95 Prozent (Verwertung) gesteigert werden. Diese Quoten sind Voraussetzung für die Typengenehmigung von Fahrzeugen. Am Ende des Autolebens wird das Altauto in 40 verschiedene Fraktionen getrennt.

Recyclingmoral

Wie steht es um die aktuelle Recyclingmoral? Herrmann: „Man ist relativ weit. Die Verwertbarkeit hängt aber stark von den jeweiligen Fahrzeugtypen ab.“ Größere Autos mit entsprechender Komfortausstattung enthalten hohe Elektronikanteile, was die Erfüllung der Quoten schwierig gestalte. Wer ein umweltgerechtes Fahrzeug möchte, müsse auf überflüssigen Komfort verzichten. „Es muss ja nicht jeder Spiegel beheizbar sein.“ Eine Herausforderung für Recyclingspezialisten sind Verbundmaterialien. Zukunftsfahrzeuge werden leicht sein, immer mehr Kunststoffe enthalten. Herrmann: „Die Leichtbaustoffe weisen aber oft geringere Recyclingfähigkeiten auf“.

Künftig werde es bei der Entwicklung nicht nur um den Verwertungszyklus gehen, sondern um den „ganzheitlichen Lebenszyklus eines Produktes“, sagt Umwelttechniker Hannes Rabitsch. Das Schlagwort dazu heißt „life cycle assessment“ oder Ökobilanz.

Beim Bau eines „grünen Autos“ müsse man den Energie- und Ressourcenverbrauch in der Produktion ebenso berücksichtigen wie Nutzungsphasen, Emissionen, Kraftstoffverbrauch und Verwertung. Bislang fehlten dazu aber standardisierte Datenbanken – und damit die Vergleichbarkeit.

Standards, neue Entwicklungen rund um die Themen Recycling und Lebenszyklus-Management in den Bereichen Elektronik und Automotiv werden bei der KERP-Konferenz ECO-X von 9. bis 11. Mai im Tech Gate Vienna erörtert. (Jutta Berger/ DER STANDARD, Printausgabe, 21. Februar 2007)