Bild nicht mehr verfügbar.

Didier Awadi hat 2006 ein Album veröffentlich, das sich unter anderem den Jugendlichen widmet, die mit Holzbooten die Kanarischen Inseln erreichen wollen. Das Video "Sunugaal" (Unser Boot) ist auf seiner Website zu hören und sehen.

REUTERS/Claire Soares

Bild nicht mehr verfügbar.

Rapper Xuman von Pee Froiss in Dakar.

Foto: REUTERS/Finbarr O'Reilly/Files
Senegal gilt als Bastion der Demokratie inmitten einer Region, in der die benachbarten Staaten mit Bürgerkriegen und politischen Konflikten zu kämpfen haben. Die Republik gilt auch deshalb als Vorbild, weil im Jahr 2000 ein Wechsel nach demokratischen Spielregeln stattfand: Der Liberale Abdoulaye Wade wurde nach Jahrzehnten in der Opposition zum Präsidenten gewählt. Damals galt er als der Hoffnungsträger der Jugend, und die Rapper hatten ihr Scherflein dazu beigetragen, dass dieser Machtwechsel möglich war.

Im Jahr 2000 waren rund 4.000 Rapper bei den Behörden in Dakar registriert, etliche der populären Musiker hatten sich für diesen Wechsel stark gemacht. Als „verrückte faule Jugend“ hatte der senegalesische Langzeitpräsident die reimenden Kritiker heruntergemacht. Dennoch dürfte er ihren Einfluss in der Öffentlichkeit erkannt haben: er bot ihnen Geld an, damit sie in ihren Texten seine Gegenkandidaten diskreditieren. Doch die Rapper ließen sich nicht kaufen. Und auch die Medien griffen in den Wahlkampf ein und berichteten ausführlich über Korruption und Armut im Lande.

Zielgruppe der Politik

"Das System muss weg. Wenn ihr wirklich wollt, dass sich etwas ändert, dann geht wählen. Es gibt keinen anderen Weg", so das Leitmotiv während der Wahlen 2000. Und die Mehrheit der Bevölkerung ließ sich nicht mehr länger bevormunden. Menschen am äußersten Rand der Gesellschaft, die aus den Dörfern in die Ballungszentren gezogen waren, galten bis dahin nicht als Zielgruppe der Politik - sie waren von der politischen Mitbestimmung weitgehend ausgegrenzt. Die Rapper gaben ihnen nun eine Stimme.

Rap hat im Senegal eine gesellschaftliche Relevanz erreicht, die in Europa oder den USA unvorstellbar ist. Seine Zielgruppe ist jung und lebt in ärmlichen Verhältnissen. Crews wie Positive Black Soul, Pee Froiss oder Daara J., die Gründungsväter des senegalesischen Hip Hop mit mittlerweile internationalem Ruf, huldigen meist weniger der Gewalt und Männlichkeit, sondern kritisieren traditionelle Autoritäten und bringen Probleme wie Hunger, Armut, Aids oder Auswanderung aufs Tapet. Rapperinnen, wenngleich eine Minderheit in der männerdominierten Szene, enttabuisieren Themen wie Gewalt gegen Frauen, Prostitution oder Zwangsheirat. "Wir wollen provozieren, um die Gesellschaft zu verändern", so Miriam Diallo von Alif (Attaque Libératoire de l'Infanterie Féministe).

Perspektivenlosigkeit

Nach seinem Wahlsieg versprach Präsident Wade weitreichende Änderungen und bei den Jugendlichen und der städtischen Bevölkerung breitete sich Hoffnung aus. Doch sieben Jahre nach seinem Wahlsieg ist von einem Wandel nichts zu bemerken: miserable Gesundheitsversorgung, Korruption, schlechte Infrastruktur, steigende Arbeitslosenquoten und eine zunehmende Analphabetisierung. "Unsere führenden Politiker gehen mit schlechtem Beispiel voran", klagt der senegalesische Historiker Ibrahima Thioub. "Sie schicken ihre Kinder in den Norden zum Studieren oder Geldverdienen und verstärken damit die Überzeugung, dass man hier nicht erfolgreich sein kann."

Die Perspektivenlosigkeit und die Unmöglichkeit der Arbeitslosigkeit und Armut zu entkommen, veranlasst viele Jugendliche, ihr Glück in Europa zu suchen. Mit Pirogen, den Holzbooten, wollen sie die Kanarischen Inseln und somit Europa erreichen. Allein 2006 traten über 30.000 SenegalesInnen die Flucht in den kleinen Booten über das Meer an. Rund 6.000 sind dabei ertrunken und die tausenden Leichen, die das Meer zurück ans Land schwemmt, schockieren die Bevölkerung.

Meinungsfreiheit

Auch wenn sich Präsident Wade im Wahlkampf 2007 wieder an die Jugend wendet, der er seinen ersten Wahlsieg verdankte, reimen die Musiker mittlerweile gegen ihn. Nicht ohne Konsequenz.

In jüngster Zeit wird auch die Meinungsfreiheit ein zunehmend gefährdetes Gut. Radiostationen werden wegen angeblich voreingenommener Berichterstattung geschlossen, und erst vor kurzem wurde eine Demonstration der Opposition von der Regierung untersagt und mit Tränengas beendet. Auch für die RapperInnen hat dies Konsequenzen: Politiker versuchen, sie für ihre Zwecke einzuspannen. Lehnen sie ab, so werden sie automatisch mit dem oppositionellen Lager assoziiert. "Diese politischen Einschüchterungen bedrohen auch die demokratische Geschichte Senegals", erzählt Didier Awadi, einer der populärsten Musiker im Land und Teil der Crew Positive Black Soul: „Die Regierung ist im Amt, weil die Demokratie funktioniert und weil es Meinungsfreiheit gibt."

Politische Botschaften

Awadi erinnert sich daran, wie er kurz nach dem Machtwechsel von Ministern der neuen Regierung gefragt wurde, ob er nicht positive politische Botschaften für sie an die Leute bringen könnte, um dem neuen Regime zu helfen, von einer breiteren Basis unterstützt zu werden. Er habe abgelehnt: "Meine Position ist immer noch die selbe: wenn ihr euren Job nicht korrekt macht, werde ich der Erste sein, der euch kritisiert und eure Fehler unterstreicht."

Nicht selten werden regierungskritische Rapper eingeschüchtert, wie etwa durch rückdatierte Steuerbescheide. Auch werde es für viele immer schwieriger, im Radio oder Fernsehen gesendet zu werden. Viele Rapper werden von diesen Umstände davon abgehalten, mit ihren politischen Botschaften weiterzumachen, was auch zu einer Schwächung der Rap-Bewegung führt.

Historische Verantwortung

Momoude Kasse, ein technischer Berater des Informationsministeriums, sieht die Sache natürlich anders: Es gebe keine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Die Tatsache, dass die Jugendlichen die Freiheit hätten, sagen zu können, was sie denken, zeige, dass Senegal eine Demokratie sei. "Wenn es keine Meinungsfreiheit gäbe", meint er, "so hätte sich Rap in diesem Land nicht entwickeln können".

Awadi hält dem entgegen: "Wir alle wissen, dass diese Politiker nicht ernstzunehmen, nicht ehrlich sind. Es ist unsere historische Verantwortung, dass wir uns in diesem Kampf gegen sie engagieren, weil wir in diesem Land kein Abgehen von der Demokratie dulden können." (Christa Hager/derStandard.at, 24.2.2007)